Flüchtlingspfarrerin entsetzt über Rückführungsverbesserungsgesetz
Das neue Rückführungsverbesserungsgesetz der Bundesregierung ist umstritten. Die CDU wünscht sich eine konsequentere Abschiebepolitik, Kirchen und juristische Verbände kritisieren die neuen Regeln.
Es war ein Paukenschlag in Sachen Migrationsrecht, der sich am 18. Januar im Bundestag vollzog. Kurz nach 18.30 Uhr beschlossen die Mitglieder des Parlaments in namentlicher Abstimmung ein Gesetz, bei dem nicht nur der Name Eindruck macht. Das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ wurde mit Stimmmehrheit der Ampelkoalition und gegen die Stimmen von CDU, AfD und einzelnen Abgeordneten der Grünen Bündnisfraktion beschlossen. In acht Artikeln werden damit nicht nur das Aufenthalts- und das Asylgesetz geändert, auch die bundesweit gültige Aufenthaltsverordnung wird angepasst. Hinzu kommen erweiterte Grundrechtseinschränkungen, die das Gesetz vorsieht und die eine gezieltere und schnellere Abschiebung von Migrantinnen und Migranten ermöglichen sollen.
Evangelische und katholische Kirche äußern Bedenken
Doch während die mitregierende FDP in einer Pressemitteilung „mehr Ordnung und Kontrolle in der Migrationspolitik“ verspricht, ist das neue Gesetz in breiten Teilen der Gesellschaft als auch bei Religionsgemeinschaften durchaus umstritten.
Bereits während des Anhörungsverfahrens im Innenausschuss des Deutschen Bundestages meldeten die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und das Kommissariat der katholischen Bischöfe in einer gemeinsamen Stellungnahme Bedenken an. Sie kritisieren unter anderem die erweiterten Möglichkeiten für Durchsuchungen in Gemeinschaftsunterkünften und weisen auf Ängste und Verunsicherungen aller Bewohnenden hin. Auch die im Gesetz verankerte Strafverschärfung bei unrichtigen Angaben zum Asylrecht wurde in der gemeinsamen Stellungnahme kritisiert und durch die Kirchen als „unverhältnismäßig“ betrachtet.
Und auch innerhalb der Migrationsorganisationen inner- und außerhalb der Kirchen wird das neue Rückführungsverbesserungsgesetz beanstandet. So kritisieren Organisationen wie Sea-Watch etwa, dass das neue Gesetz künftig auch die Seenotrettung von Minderjährigen unter Strafe stellt. Bis zu zehn Jahre Gefängnis sind durch die mit dem Gesetz verbundene Anpassung im Aufenthaltsrecht angedacht.
EKBO-Bischof Christian Stäblein kritisierte unter anderem auch diese Regelung. In einer Medieninformation erklärte Stäblein, der auch für das Beantworten von Flüchtlingsfragen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKM) berufen ist, dass ausgerechnet die Rettung von Kinderleben nie als Verbrechen gewertet werden dürfe. Doch die zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigt das neue Gesetz. In einem Interview mit der Rheinischen Post sagte Faeser: „Diese restriktiven Maßnahmen sind notwendig, damit wir weiterhin unserer humanitären Verantwortung für die Menschen gerecht werden können, die wir vor Krieg und Terror schützen müssen – wie die 1,1 Millionen Geflüchteten aus der Ukraine.“
Josephine Furian: „Verschiebt das Sag- und Machbare nach rechts“
Mitarbeitende des kirchlichen Bereichs, die sich seit Jahren für Migration und Integration einsetzen, stehen Faesers Ansichten hingegen mehr als skeptisch gegenüber. Josephine Furian ist Pfarrerin für die mobile Beratung in der Arbeit mit Geflüchteten im Sprengel Görlitz. Sie zeigt sich von der neuen Rechtsgrundlage entsetzt. „Als Christinnen leben wir unseren Glauben, wenn wir Schutzsuchenden Zuflucht bieten und Geflüchtete schützen – und sie eben nicht verraten“, sagt Furian und ergänzt: „Das Gesetz ist leider ein Schritt in die gegenteilige Richtung. Es verschiebt das Sag- und Machbare nach rechts. Angesichts der Deportationspläne der extremen Rechten macht mir das einmal mehr Sorgen.“
Jospehine Furian sieht in diesem Zusammenhang außerdem auch eine Auswirkung der aktuellen Politik der Europäischen Union. Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, kurz Geas, würde auch in die EU hineinwirken. „Das ist autoritär und antidemokratisch und stellt somit auch eine Gefährdung unserer Demokratie dar. Wenn Geflüchtete und Schutzsuchende zu Sündenböcken für eine Wirtschaftspolitik werden, ist das äußerst gefährlich“, so Pfarrerin Furian.
Auch Juristinnen und Juristen sehen Gesetz kritisch
Dass sich ausgerechnet Mitglieder der Christdemokratischen Bundestagsfraktion das Gesetz noch härter gewünscht hätten, ist vor diesem Hintergrund allerdings interessant. So bemängelte Andrea Lindholz, Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, dass das neue Recht nicht zu den „Abschiebungen im großen Stil“ führen würde. Sowohl CDU als auch die Fraktion der AfD enthielten sich daher am 18. Januar ihrer Stimme.
Dem neuen Gesetz stehen überdies auch zahlreiche Juristinnen und Juristen kritisch gegenüber. Wiebke Freya Ludwig ist Mitglied des Thüringer Landesvorstands im Deutschen Juristinnenbund (djb). Die Volljuristin beschäftigt sich schon seit Langem mit Migrations- und Ausländerrecht im politischen Bereich und betont die fragwürdige Ausrichtung des Gesetzes: „Es stellt sich die Frage nach der Verfassungsrechtlichkeit einiger Regelungen des Rückführungsverbesserungsgesetzes. Schon während des Gesetzgebungsverfahrens haben verschiedene juristische Verbände ihre Bedenken dazu angemeldet. Gerade die Verlängerung des Ausreisegewahrsams auf 28 Tage als auch die Strafandrohung bei falschen Angaben während der Einreise sollten auch mit Blick auf die Frage der Verhältnismäßigkeit hin überprüft werden.“