Voigt und Höcke schenken sich nichts im „TV-Duell“

Fünf Monate vor der Wahl attackieren sich die Spitzenkandidaten Mario Voigt (CDU) und Björn Höcke (AfD). Der Erkenntnisgewinn hielt sich wie erwartet in Grenzen. Zumindest Voigt bemühte sich immerhin um Sachlichkeit.

So viel ist klar: Beim ersten sogenannten TV-Duell zur Wahl haben sich der AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke und Thüringens CDU-Chef Mario Voigt nichts geschenkt. Das war auch nicht zu erwarten. Genauso wenig überraschend war, dass Höcke sich nicht an die Spielregeln hielt, Voigt über weite Teile des statt geplanter 45 rund 70 Minuten dauernden Schlagabtauschs ständig ins Wort fiel und die Moderatoren zu Statisten degradierte.

Geladen hatte der zum Axel-Springer-Konzern gehörende Sender Welt TV, dessen Moderatoren – Chefmoderatorin Tatjana Ohm und Welt-TV-Chefredakteur Jan Philipp Burgard – selten in der Lage waren, vor allem Höckes Redeschwall zu bremsen oder wenigstens in geordnetere Bahnen zu lenken. Voigt konnte immerhin mit seinem Bemühen um Differenzierung und Angriff punkten. Doch in den meisten Fällen gelang es Höcke, über die aufgeworfenen inhaltlichen Punkte hinweg zu schwafeln. Für differenzierte Nachfragen ist in so einem „Duell-Format“ – noch dazu bei der überwiegend schwachen Moderation – eben kein Platz.

Das spielte Höcke in die Karten, der jedes Argument von Voigt weglachte – und wenn es dann doch nicht gelang, den „Kollegen Voigt“ mit Phrasen wie „Die EU ist der Motor der Bürokratie“ niederzureden versuchte. Es ging neben der EU um große Themen wie Einwanderung, Islam, Erinnerungskultur und die Kriege in der Ukraine und Nahost.

Höckes Einlassung, Russland sei doch auch ein bedrängtes Land und wolle Frieden, blieb dabei erstaunlicherweise ohne ganz großen Widerspruch stehen. Während sich bei anderen außenpolitischen Fragen trotz aller Differenzen auch bei Höcke immerhin eine gewisse Sachlichkeit einstellte, war das sonst bei ihm kaum der Fall. „Jeder Unternehmer, der nachdenkt, ist mittlerweile der festen Überzeugung, dass die EU schadet“, verkündete er etwa und lobte den Brexit als Erfolg.

Dass von Voigt zitierte Fakten und Umfragen unter Thüringer Unternehmern eine ganz andere Sprache sprechen, konterte Höcke dann mit dem Hinweis, es gebe einen „alternativen Faktencheck“ auf seinem X-Kanal.

In Sachen Einwanderung spielte auch Voigt die Law-and-Order-Karte, pochte aber auf humane Abläufe und Rechtsstaatlichkeit. Höcke dagegen beschrieb eher faktenfrei ein Deutschland „am Rande des Kollaps“, verursacht durch „Schäden in Billionenhöhe“ und eine „explodierende Gewaltkriminalität durch illegale Einwanderung“.

Auch in vielen anderen Punkten zeigte sich die Schwierigkeit einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit Populisten, denen es nicht auf überprüfbare Inhalte, sondern auf Botschaften ankommt. Höcke forderte also geschickt „Remigrationsanreize“ für die 1,5 Millionen Menschen aus Thüringen, die den Freistaat in den letzten Jahren Richtung Ausland verlassen hätten, und rief dazu auf, dass das „Kinderkriegen gefördert werden muss“.

Während er zunächst selbst auf der Sachebene zu bleiben versuchte, griff Voigt sein Gegenüber vor allem in der zweiten Hälfte der Sendezeit dann gezielter an: „Sie sind nicht bürgerlich, Sie sind völkisch. Ich bin demokratisch, Sie sind autoritär“, erklärte er zum Schluss. Höcke empfahl sich dagegen als Erbe des Thüringer Nachwende-CDU-Vorsitzenden Willibald Böck, der sich heute angesichts des „Linksrucks“ seiner „tapferen, patriotischen CDU im Grabe umdrehen“ würde.

Wirklich ins Schleudern geriet Höcke nur bei den Fragen nach seiner Haltung zur NS-Zeit und zum Faschismus. Dass er in Buchenwald Hausverbot habe, mochte er nicht verstehen. Und dass der SA-Spruch „Alles für Deutschland“ verboten ist, habe er nicht gewusst. Das zeige aber, so Höcke, dass das Strafrecht in Deutschland „immer mehr zur Einschränkung der Meinungsfreiheit genutzt“ werde und „Oppositionsarbeit unmöglich gemacht“ werde. Worauf Voigt locker konterte, Höcke solle aufhören, sich als Opfer zu gerieren: „Er steht doch hier und kann seine Meinung sagen.“

Wem das „Duell“ – neben der vermutlich für Welt-TV-Verhältnisse üppig ausfallenden Reichweite – wirklich genutzt hat, ist schwer zu sagen. Die konkreten politischen Erkenntnisse blieben dünn, zudem stellt sich rund fünf Monate vor der Landtagswahl die Frage, was das Ganze zu diesem Zeitpunkt überhaupt sollte. Doch vermutlich können sich beide Kontrahenten salopp gesagt „ein Ei drauf braten“. Denn wirklich untergegangen ist keiner, und für die jeweils eigene Klientel war genug dabei, um sich danach als Sieger auszurufen.

Das tat die AfD auch gleich im Anschluss auf einer „Public-Viewing“-Veranstaltung in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt. Bei der aber laut Welt-TV die Öffentlichkeit und vor allem Medien nicht zugelassen waren.