US-Wahl: Ist das Alter von Biden ein Problem?

Er ist der älteste Präsident, den die USA je hatten. Auch viele Deutsche fragen sich, warum Joe Biden noch einmal kandidiert. Aber Alters-Experten zeigen sich gelassen.

Altersexperten verweisen auf große Erfahrung Joe Bidens
Altersexperten verweisen auf große Erfahrung Joe BidensImago / ZUMA Wire

Ist er schon senil? Tatterich wirkt er auf jeden Fall. Nicht nur die Amerikaner fragen sich, warum Joe Biden (81), der älteste US-Präsident aller Zeiten, nicht in den verdienten Ruhestand gehen will? Und damit riskiert, dass dem nur wenig jüngeren Donald Trump (77) eine zweite, verhängnisvolle Amtszeit beschert wird.

Bidens Alter ist ein wichtiges Wahlkampfthema in den USA – und wird auch in Deutschland stark diskutiert, wie der Titel „Biden wankt“ des Stern zeigt. Nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage finden 86 Prozent der US-Wähler, er sei zu alt für eine zweite Amtszeit, 59 Prozent meinten das für beide Kandidaten. Um so verheerender das kürzlich bekannt gewordene Urteil des Sonderermittlers Robert Hur, der zwar in der Dokumentenaffäre eine strafrechtliche Anklage gegen den Präsidenten ablehnte. Der aber schrieb, es handle sich bei Biden um einen „wohlmeinenden, älteren Herrn mit schlechtem Gedächtnis“.

Alter kann sehr Unterschiedliches bedeuten

Altersexperten in Deutschland warnen demgegenüber vor vorschnellen Urteilen. Für Regina Görner, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso), ist der Streit über das Alter der Präsidentschaftskandidaten ein Zeichen dafür, „wie sehr die politische Debatte verkommen ist“. Auch in Deutschland. „Es ärgert mich, wenn das Gewicht der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang oder das Lachen von Armin Laschet eine solche Bedeutung bekommen“, sagte sie der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Damit werde von inhaltlichen Streitfragen abgelenkt.

Einer Umfrage zufolge finden 86 Prozent der US-Wähler, dass Joe Biden zu alt für eine zweite Amtszeit sei
Einer Umfrage zufolge finden 86 Prozent der US-Wähler, dass Joe Biden zu alt für eine zweite Amtszeit seiImago / Cover-Images

Görner, Gewerkschafterin und frühere Mitarbeiterin von Bundesfamilienministerin Rita Süssmuth, verweist auf Konrad Adenauer, der mit 73 Jahren erstmals zum Bundeskanzler gewählt wurde und das Amt 14 Jahre ausfüllte. „Alter kann sehr Unterschiedliches bedeuten“, sagt sie. „Ich selber bemerke bei mir, dass ich Vieles, was ich heute schaffe, als junger Mensch nicht geschafft hätte.“ Gerade in Zeiten eines Overkills an Informationen könnten ältere Menschen mit ihrem großen Schatz an Erfahrungen, Überblick und Netzwerken möglicherweise seriösere und ausgeruhtere Entscheidungen treffen. „Das ist natürlich kein Automatismus“, räumt Görner ein. Auch könnten frühere Niederlagen die Widerstandsfähigkeit älterer Politiker vergrößern. Werte und Urteilskraft verschwänden nicht so schnell – auch wenn Biden sich mal verhaspele.

Altersexperte verweist auf große Erfahrung Bidens

Auch der Heidelberger Altersforscher Andreas Kruse (69) hat nichts gegen eine neue Kandidatur Bidens. „Die Altersforschung lehrt, nicht das Lebensalter als Grundlage für die Bewertung von Leistungen zu wählen, sondern die tatsächlich gegebene Leistungsfähigkeit und Kompetenz“, sagte er der KNA. „Dabei kommt es sowohl auf die körperliche als auch auf die emotionale, geistige, alltagspraktische und die kommunikative Dimension an.“ Biden habe Beeindruckendes geleistet, wirtschaftspolitisch und außenpolitisch, fügte der Mitautor vieler Altersberichte der Bundesregierung an. Er habe in aktuellen Krisen rational, ethisch überzeugend und mit einem hohen Maß an Empathie gehandelt. „Aus einzelnen kognitiven Schwächen darf nicht auf die allgemeine geistige Leistungsfähigkeit geschlossen werden“, so Kruse.

Er fügte hinzu, in den USA werde das hohe Alter nicht selten positiver bewertet als in der Bundesrepublik. „Antidiskriminierungsgesetze finden wir dort schon seit Jahrzehnten. Görner verwies auch auf unterschiedliche Strukturen der US-Politik: Wer sich dort für ein hohes politisches Amt bewerbe, müsse viel Geld sammeln und über große persönliche Netzwerke verfügen. Da seien Ältere im Vorteil.

Kein Generationenkonflikt in deutscher Politik

Die Bagso-Vorsitzende sieht keinen Anlass, in der deutschen Politik von einem Generationenkonflikt zu sprechen. Obwohl die Gesellschaft immer älter werde, sei noch kein Bundestag im Durchschnitt so jung gewesen wie der aktuelle. Auch beobachte sie in Parteien und anderen Institutionen eher die Tendenz, dass Ältere bevorzugt jüngere Bewerber wählten – weil sie ihnen viel zutrauten oder sich frischen Wind erhofften. Zudem sei auch in vielen Familien zu beobachten, dass die ältere Generation sich nicht egoistisch verhalte, sondern ihr das Wohl der kommenden Generationen sehr am Herzen liege.