Schwarze Gläubige stören sich an Joe Bidens Gaza-Politik

Ein verlässlicher Wählerblock des US-Präsidenten Joe Biden wackelt: Viele schwarzer Wähler drängen auf einen Waffenstillstand zwischen Hamas und Israel – und unterstützen seine Nahost-Politik nicht.

Während Joe Biden in South Carolina sprach, standen einige Besucher auf und verlangten unvermittelt ein Ende der Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas im Gazastreifen
Während Joe Biden in South Carolina sprach, standen einige Besucher auf und verlangten unvermittelt ein Ende der Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas im GazastreifenImago / TheNews2

Der Auftritt von Joe Biden zu Jahresbeginn in der methodistischen Kirche Mother Emanuel von Charleston sollte den Beginn seines Wahlkampfs in South Carolina markieren. Dort, wo ein rassistischer Massenmörder im Juni 2015 neun afroamerikanische Gemeindemitglieder tötete, wollte der US-Präsident seine Nähe zur schwarzen Community demonstrieren. Freilich geht es dabei nicht zuletzt um Stimmen: Die schwarzen Wähler des Südstaats retteten 2020 seine Kandidatur. Auch 2024 setzt Biden auf ihre Unterstützung.

Ganz so harmonisch wie erhofft verlief der Besuch dann aber doch nicht. Während der Politiker sprach, standen einige Besucher auf und verlangten unvermittelt ein Ende der Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas im Gazastreifen. Andere forderten indes lautstark „vier weitere Jahre“ Amtszeit für ihren Präsidenten. Der ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, auch sein Wahlkampfteam ignorierte den Zwischenfall geflissentlich, um dem Protest keine mediale Aufmerksamkeit zu schenken.

Viele sind unzufrieden mit Bidens Nahost-Politik

Die Strategie des Ignorierens ist jedoch nicht ohne Risiko. Viele schwarze Wähler sind unzufrieden mit Bidens Nahost-Politik. Mehr als 1.000 Pastoren afroamerikanischer Gemeinden in den USA, die mehrere hunderttausend Gläubige vertreten, verlangen eine Kurskorrektur.

Sie haben ihr Unbehagen über die hohe Zahl ziviler Opfer unter den Palästinensern schon auf allerlei Wegen zum Ausdruck gebracht: persönlich bei Begegnungen im Weißen Haus, schriftlich in mehreren Briefen und ganzseitigen Zeitungsanzeigen, auch vielfach von der Kanzel. Es sei Zeit, das Blutvergießen in Gaza zu beenden und die israelischen Geiseln freizulassen, lautet die zentrale Forderung der Geistlichen.

Mehr als 200 Geistliche sind für Waffenstillstand

„Wir sind bei diesem Thema extrem enttäuscht von der Biden-Regierung“, fasst der leitende Pastor der großen First Iconium Baptist Church in Atlanta, Timothy McDonald, die Stimmung unter den schwarzen Gläubigen zusammen. Der Reverend gehört zu den mehr als 200 Geistlichen, die im Wechselwählerstaat Georgia einen Waffenstillstands-Aufruf unterschrieben haben. „Er wird Mühe haben, unsere Leute davon zu überzeugen, wählen zu gehen“, sagte McDonald der „New York Times“, die kürzlich eine alarmierende Bestandsaufnahme vorlegte.

Laut der Recherche ist die Unzufriedenheit so groß, dass sich der Präsident bei den Wahlen im November nicht auf die gleiche geschlossene Unterstützung der schwarzen Kirchengemeinden verlassen kann. Sollten die Ergebnisse wieder so knapp ausfallen wie 2020, machen womöglich ein paar tausend Stimmen in sogenannten Swing States wie Georgia den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage aus.

Zivilisten in Gaza: „Wir betrachten sie als Teil von uns“

„Wir betrachten sie als Teil von uns“, erklärt Pastorin Cynthia Hale von der Ray of Hope Christian Church in Decatur das vehemente Eintreten afroamerikanischer Gläubiger für die palästinensischen Zivilisten in Gaza. „Sie gehören zu den unterdrückten Völkern. Auch wir sind unterdrückt.“

Das Thema ist in den USA heikel, weil Juden in Zeiten der Bürgerrechtsbewegung zu den verlässlichsten Unterstützern der Afroamerikaner bei ihrem Kampf gegen die Rassentrennung gehörten. An diese historische Verbindung erinnert Rabbi Peter S. Berg, der die jüdische Temple-Gemeinde in Atlanta leitet. Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober, bei dem mehr als 1.200 Menschen getötet wurden, beteten jüdische Gemeindemitglieder und schwarze Christen in Atlantas Ebenezer Baptist Church zusammen.

Rabbi: Solidarität der Afroamerikaner mit Juden könnte stärker sein

Für den Geschmack des Rabbis könnte die Solidarität der Afroamerikaner mit den Juden stärker sein. „Wir wollen auch Frieden und dass dieser Krieg endet“, betont er. „Aber ich bin enttäuscht über den Aufruf zu einem Waffenstillstand, der nicht genügend auf die Rückkehr der Geiseln und die Verantwortung der Hamas für die Verbrechen eingeht.“ Dennoch müsse man gerade jetzt zusammenzurücken und ehrlich miteinander sein.

Bischof Reginald T. Jackson, der mehr als 500 Gemeinden der African Methodist Episcopal Church vertritt, teilt zwar den Schmerz der Terror-Opfer. Aber so könne es nicht weitergehen, meint er und plädiert ebenfalls für einen Waffenstillstand samt Geisel-Freilassung. Was Biden angehe, sei es noch nicht zu spät, um mit diplomatischen Mitteln eine Waffenruhe zu bewirken. „Entscheidend ist, dass die schwarze Gemeinde ihn für glaubwürdig hält. Dann wird er unsere Unterstützung haben“, sagt der einflussreiche Geistliche.