Amerika-Experte: US-Wahl ist Kampf um Werte und Identität

Nach Ansicht des Amerika-Kenners Arthur Landwehr verschärft sich in den USA der Streit um Werte und Identität. Die Präsidentschaftswahlen im November 2024 liefen auf einen Kulturkampf hinaus, der die USA zu zerreißen drohe, sagte der frühere USA-Hörfunkkorrespondent der ARD dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Baden-Baden. An diesem Freitag ist sein Buch „Die zerrissenen Staaten von Amerika“ im Droemer Knaur Verlag (München) erschienen.

Viele Menschen in den USA, vor allem weiße Amerikaner, fühlten sich von Politik, Wirtschaft und Medien vernachlässigt oder verächtlich gemacht. Nicht erst seit der Wirtschaftskrise 2008 hätten viele Bürger Angst vor dem wirtschaftlichen Abstieg, erläuterte Landwehr. Sie beklagten, dass die Politik das Versprechen, dass es allen besser gehen werde, nicht erfüllt habe.

Der gesellschaftliche Riss trenne die Metropolen an den Küsten und das landwirtschaftlich geprägte „Kernland“, sagte Landwehr, der mehr als zehn Jahre in den USA lebte und arbeitete. Die Landbevölkerung sähe ihre traditionellen Werte, ihren Patriotismus und ihre Religion verächtlich gemacht. Sie kritisierten, dass nur noch über Themen urbaner und diverser Gesellschaften diskutiert werde, wie etwa Abtreibung oder Gender.

Das Problem ist Landwehr zufolge, dass man nicht mehr über Politik streite und darüber, was richtig sei, sondern nur eine Bestätigung der eigenen Sicht der Dinge suche. „Es gibt keinen Konsens mehr darüber, was es bedeutet, ein Amerikaner zu sein.“

Nicht nur in den USA, auch in Deutschland und Europa hätten Menschen verlernt, die Perspektiven anderer aufzunehmen und zu verstehen. Dies zeige sich am zunehmenden Populismus und dem Aufstieg der AfD, sagte ehemalige Chefredakteur des SWR-Hörfunks.

Dem früheren Präsidenten Donald Trump, der erneut für das höchste Amt in den USA kandidiert, sei es während seiner ersten Amtszeit (2017-2021) hervorragend gelungen, diese Ängste zu kanalisieren. Allerdings agierten Trump und Präsident Joe Biden, der ebenfalls erneut kandidiert, rückwärtsgewandt. Sie hätten keine Konzepte für die drängenden Fragen der Zeit.

Um die Menschen wieder näher zusammenzubringen, sei eine Politikerin oder ein Politiker mit Charisma, Führungsqualitäten und Zukunftsvisionen nötig. In den 1960er Jahren sei John F. Kennedy solch ein Hoffnungsträger gewesen. Ob das heute einem Politiker erneut gelinge, würden wohl erst die nächsten US-Wahlen 2028 zeigen. (0083/12.01.2024)