Präsident Lula da Silva besucht Deutschland

Nach der Ära des rechten Präsidenten Bolsonaro ziehen Berlin und Brasilia bei Themen wie dem Klima wieder an einem Strang. Bei anderen wie Ukraine und Nahost mitnichten. Lulas Besuch am Montag dürfte daran wenig ändern.

Brasiliens linker Präsident Luiz Inacio Lula da Silva (78) wird am Sonntag zu einem zweitägigen Besuch in Deutschland erwartet. Auf dem Papier wird die Zusammenkunft mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein Treffen alter Freunde. Bis zurück in Lulas Gewerkschafterzeiten in den 1970er Jahren reichen seine Kontakte zur SPD. Doch zuletzt hatte es Verstimmungen gegeben, vor allem über Brasiliens Haltung im Ukraine-Konflikt.

Lula, der Brasilien bereits von 2003 bis 2010 regierte, kommt erstmals seit Beginn seiner dritten Amtszeit im Januar nach Deutschland. Zuletzt hatte die damalige Präsidentin Dilma Rousseff 2012 Deutschland besucht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reiste 2015 zu den ersten gemeinsamen Regierungskonsultationen nach Brasilia.

Doch aus dem Plan, diese nun regelmäßig abzuhalten, wurde nichts. Mit dem Ende 2018 gewählten Rechtspopulisten Jair Messias Bolsonaro erreichten die bilateralen Beziehungen einen Tiefpunkt. Besonders Bolsonaros Weigerung, gegen die zunehmende Abholzung in Amazonien vorzugehen, löste Streit aus. Der Ex-Militär verbat sich Einmischungen in die Umweltpolitik und setzte gar den von Deutschland und Norwegen zum Waldschutz in Amazonien finanzierten Amazon Fund aus. Bis zum Ende seiner Amtszeit im Dezember 2022 ließ sich kaum ein deutscher Politiker in Brasilien blicken.

Unter Lula wurde das anders. Doch Olaf Scholz holte sich im Januar in Brasilia eine knallende Abfuhr. Weder gab Lula Munition für die Ukraine frei, noch schloss sich Brasilien den Sanktionen gegen Russland an. Traditionell sucht Brasiliens Diplomatie eine neutrale Position. Lula überraschte, als er der Ukraine und dem Westen sogar eine Mitschuld am Krieg gab.

Lula schienen China und der sogenannte Globale Süden wichtiger zu sein als die Beziehungen zum Westen. So war man dort verblüfft über Lulas verbale Attacken gegen den US-Dollar als globale Leitwährung. Zuletzt sorgte Lula für Aufsehen, als er Israel Terrorismus im Gazastreifen vorwarf. Seine Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores) sprach von israelischen Kriegsverbrechen und Genozid an den Palästinensern.

Scholz und Co. sind wohl gut beraten, Lula in Sachen Ukraine und Gaza nicht zu Zugeständnisse zu drängen. Zumal es genug unstrittige bilaterale Interessen gibt. So ist die Unterzeichnung von Projekten in den Bereichen Umweltschutz, Gesundheit, Wissenschaft, Technologie und Innovationen geplant. Lula wird am Montag auch beim Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftsforum erwartet. Deutschland ist mit mehr als 1.000 Unternehmen in Brasilien präsent, allen voran die großen Automobilkonzerne. Denen rückt dort jedoch die chinesische Konkurrenz auf den Pelz, die in Brasilien Fabriken für Elektroautos baut.

Überhaupt kommt Brasilien eine wichtige Rolle beim grünen Umbau der Wirtschaft zu. Neben seiner Rolle als Lieferant wichtiger Rohstoffe könnte es in Zukunft auch ein bedeutender Produzent von grünem Wasserstoff werden. Als Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) zu Jahresbeginn Brasilien besuchte, wurde bereits über erste Lieferungen von Wasserstoff nach Deutschland bis Ende 2025 gesprochen.

Mitte des Jahres waren zudem Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Brasilien. Angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland erhofft man sich in Berlin, Ingenieure und Pflegekräfte aus Brasilien nach Deutschland zu locken.

Lula, der von der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai anreist, wird in Berlin auch darauf pochen, dass die reichen Industrieländer die im Pariser Klimaabkommen versprochenen Milliarden für den Schutz des Amazonas zahlen. 2025 ist Brasilien Gastgeber der COP30. Bis dahin will Lula konkrete Ergebnisse zum Amazonasschutz erreichen.

Zudem übernahm Brasilien an diesem Freitag (1. Dezember) die G20-Präsidentschaft. Beim G20-Gipfel in Rio de Janeiro 2024 will Lula die Bekämpfung von Armut und Hunger und den Klimaschutz auf die Tagesordnung setzen. Bei den Themen fordert er stets eine größere Beteiligung der reichen Industrieländer ein.

Neue Dringlichkeit besteht bei dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen dem südamerikanischen Mercosur-Block und der EU. Nach der Wahl des Anti-Establishment-Kandidaten Javier Milei in Argentinien laufen auf beiden Seiten derzeit hektische Bemühungen, das Abkommen in trockene Tücher zu bringen, bevor der erklärte Mercosur-Gegner Milei am 10. Dezember die Amtsgeschäfte in Buenos Aires übernimmt. Immerhin dürften Lula und Scholz bei diesem Thema am gleichen Strang ziehen.