Trump oder Biden? So zerrissen ist eine lutherische US-Gemeinde
Die Präsidentschaftswahlen im November spalten die USA. Wer unterstützt Joe Biden, wer Donald Trump? Damit haben auch Kirchen zu kämpfen – wie eine lutherische Gemeinde in Ohio.
Mike Weaver könnte ein glücklicher Pastor sein. Der 53-Jährige betreut die lutherische Gemeinde St. Luke in der Kleinstadt Gahanna im US-Bundesstaat Ohio. Etwa 500 Mitglieder hat die kirchliche Gemeinschaft, mehr als 200 von ihnen kommen jeden Sonntag zum Gottesdienst – eine Quote, von denen Geistliche in Deutschland nur träumen können. Und trotzdem gibt es eine Sache, die die Gemeinde zerreißt: die Präsidentschaftswahlen im November. Biden oder Trump? Republikaner oder Demokraten?
Ohio, der Bundesstaat im Osten der USA, gilt als „Swing State“, also als ein Staat, in dem mal Republikaner und mal Demokraten gewinnen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2020 behielt Trump mit knappem Vorsprung die Oberhand. Das bedeutet allerdings auch: Ohio ist gespalten, weil beide politischen Lager etwa gleich groß sind. Und das gilt auch für die Gemeinde St. Luke in Gahanna mit seinen 35.000 Einwohnern vor den Toren der Metropole Columbus.
Online-Umfrage zeigt: Gemeinde ist politisch gespalten
Pastor Mike Weaver hat sogar schwarz auf weiß, welcher Riss durch seine Gemeinde geht. Vor einem Jahr hat er eine Online-Umfrage gestartet. Es ging um allerlei Dinge zum kirchlichen Leben in der Gemeinde, die im bunten kirchlichen Spektrum der Stadt zu den mittelgroßen zählt. Und es ging auch um Politik. Das Ergebnis: „Wir sind politisch sehr gespalten“ sagt Weaver. Es gebe Mitglieder, die stark die Republikaner unterstützen, und solche, die sich stark für die Demokraten aussprechen würden. Auch Menschen mit einer politischen Haltung irgendwo dazwischen hat die Gemeinde.
Wie also lebt es sich mit einer solch gespaltenen Gemeinde? Mike Weaver will die politischen Spannungen unter der Decke halten. „Wir bringen es in unseren Gottesdiensten nicht zur Sprache“, sagt er. Was St. Luke zusammenhalte, sei die Liebe zu Gott und die Einheit in Jesus.
Trotzdem soll die Gemeinde das Thema nicht ganz aussparen. Kurz vor den Wahlen soll es in einem Sonntagsgottesdienst um die Frage gehen, wie St. Luke trotz der politischen Differenzen zusammenstehen könne. Das hat Weaver schon vor den Präsidentschaftswahlen 2020 gemacht, und die Diskussion sei „nicht aufgeheizt“ gewesen, wie er sagt.
Wer sollte US-Präsident werden? Pastor Weaver schweigt lieber
Offene politische Diskussionen können sich aber auch als Minenfeld erweisen, zu aufgeladen ist die Diskussion in den Staaten. Deshalb will Weaver auch nicht sagen, ob er Biden oder Trump unterstützt. Was passiert, wenn sich Streitereien nicht mehr einfangen lassen, musste die Gemeinde 2008 erleben. Damals gerieten sich zwei Pastoren in die Haare, auch das Thema gleichgeschlechtliche Ehe spielte eine Rolle. Ein kleinerer Teil der Mitglieder spaltete sich ab und gründete eine neue Gemeinde.
Eine solche Abspaltung macht sich auch finanziell bemerkbar. Denn in den USA gibt es keine Kirchensteuer, die Gemeinde finanziert sich ausschließlich aus Spenden ihrer Mitglieder. Manche geben viel, manche geben gar nichts. Aber natürlich gilt: Je weniger Mitglieder, umso weniger Geld kommt rein. Diese Art der Finanzierung „kann Probleme machen“, gibt Weaver zu. Die Gemeinde habe keine echte Verlässlichkeit in der Planung, sondern verlasse sich auf Erfahrungswerte der vergangenen Jahre.
St. Luke hat Partnerschaft mit deutscher Gemeinde
Ein bisschen lässt sich Pastor Weaver dann doch noch in die Karten schauen, was seine politische Einstellung angeht. Er habe noch nie eine Partei unterstützt, sondern sich immer gefragt, wer der beste Kandidat für das Land sei. „Die republikanische Partei ist heute eine andere als vor vier Jahren“, fügt er hinzu. Trump habe sie übernommen und mit seinen Aussagen zur Nato den USA auch international geschadet.
Deshalb sei es gut, dass es internationale kirchliche Partnerschaften gebe, sagt Weaver. So könnten Menschen unterschiedliche Länder ins Gespräch kommen. St. Luke zum Beispiel hat eine Partnergemeinde in Warder (Schleswig-Holstein). Im September 2025 sollen die Norddeutschen nach Ohio reisen, dort in Familien unterkommen – und sich davon überzeugen, dass die USA nicht nur aus politischen Extremen bestehen.