Trisomie-Bluttests als Kassenleistung auf dem Prüfstand

Vorgeburtliche Bluttests auf Downsyndrom sind mittlerweile Routine – mit gravierenden Folgen. Denn meist folgt bei Verdacht auf Trisomie eine Abtreibung. Ob sich die Uhr zurückdrehen lässt?

Ein Pieks in den Finger – und schon lassen sich aus einem Tropfen Blut der Schwangeren Erkrankungen des ungeborenen Kindes vorhersagen. Was positiv klingt, hat eine problematische Kehrseite: Wenn werdende Eltern so erfahren, dass ihr Kind einen Gendefekt wie Trisomie 13, 18 und 21 hat, stehen sie vor einer Zerreißprobe. Und viele entscheiden sich zur Abtreibung.

Seit 2022 zahlen die Krankenkassen die vorgeburtlichen Bluttests auf Trisomien – “in begründeten Einzelfällen”, heißt es in den Richtlinien. Also bei Risikoschwangeren und bei einem Verdacht auf eine kindliche Gen-Anomalie. Doch Behindertenverbände, Kirchen und einzelne Bundestagsabgeordnete hatten schon zuvor gewarnt, dass die Tests zu mehr Abtreibungen und zur Selektion behinderter Menschen führen könnten. Und dass sich die Begrenzung auf begründete Ausnahmefälle nicht halten lassen werde.

So ist es gekommen: Fast allen Schwangeren wird ein solcher Test angeboten. Die Abrechnungsdaten der Kassen im ersten Jahr seit der Zulassung verraten, dass von Juli 2022 bis Juni 2023 der Test rund 63.000 Mal bei rund 160.000 Geburten pro Quartal zum Einsatz kam. Auf 2,5 Geburten ein Test. Aus einem Ausnahme-Test ist schon im ersten Jahr eine Routinebehandlung geworden. “Die Refinanzierung durch die Krankenkasse wirkt wie ein Gütesiegel”, sagt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Corinna Rüffer. “Bei vielen Frauenärzten dürfte dabei auch die Frage der Haftung eine Rolle spielen.”

“Vorgeburtliche Bluttests gehören auf den Prüfstand”, fordert deshalb die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt als Bundesvorsitzende der Lebenshilfe. 121 Bundestagsabgeordnete sehen das fraktionsübergreifend ähnlich: Sie forderten die Bundesregierung am Mittwoch auf, ein Monitoring zu den Folgen der Kassenzulassung zu veranlassen. Auch soll sie ein Expertengremium einrichten, um die ethischen, rechtlichen und gesundheitspolitischen Grundlagen der Zulassung zu prüfen.

Der Antrag wird am heutigen Mittwochabend im Bundestag beraten. Am Freitag trifft sich die Abgeordneten-Gruppe mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und dem Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Jürgen Dusel, um über die Forderungen zu sprechen.

Seit 2012 ist der sogenannte nicht-invasive pränatale Test auf dem Markt, musste aber zunächst aus eigener Tasche bezahlt werden. Schon ab der 10. Schwangerschaftswoche kann festgestellt werden, ob das ungeborene Kind etwa das Down-Syndrom hat. Befürworter bezeichnen die Tests als risikoärmer als die zuvor zur Schwangerschaftsvorsorge gehörenden Tests. Bei Biopsien oder Fruchtwasseruntersuchungen komme es immer wieder zu Fehlgeburten.

Behindertenverbände und die katholische Kirche warnten demgegenüber, die neuen Tests beförderten eine “besorgniserregende Tendenz in Richtung einer regelmäßigen Selektion”, so die Bischofskonferenz damals. Bei Trisomie erfolge zumeist der Abbruch der Schwangerschaft – in mehr als 90 Prozent der Verdachtsfälle.

Das sehen auch viele Abgeordnete so: “Ich kenne Menschen mit Down-Syndrom. Deswegen kann ich nicht akzeptieren, dass es einen Test gibt, der keinem therapeutischen Ziel dient”, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe. Dagmar Schmidt (SPD) ergänzt: “Kinder mit Down-Syndrom sind keine Menschen zweiter Klasse.”

Pascal Kober (FDP) warnt: “Es muss beobachtet werden, inwiefern das Grundrecht auf Leben möglicherweise schleichend zum Grundrecht nur für diejenigen umgedeutet wird, die vermeintlichen individuellen oder gesellschaftlichen Normalitätsansprüchen genügen.”

Dabei ist absehbar, dass die Debatte über Gentests erst anfängt. Schon jetzt bringen Wissenschaft und Gentech-Unternehmen immer neue Verfahren auf den Markt, mit denen Menschen auf ihre Veranlagung für Krankheiten wie Diabetes, Demenz oder Brustkrebs getestet werden können.

Stephan Pilsinger (CSU) ist deshalb dafür, dass der Gesetzgeber in Zukunft neuartige Pränataltests verbietet, die “irgendwelche Indizien für angebliche spätere Erkrankungen des Ungeborenen liefern können sollen. Diese Form der Vorab-Selektion von vielleicht nicht perfekten Menschen ist für mich zutiefst unethisch.”