Stiftung wünscht sich Gedenkort für Nawalny in Berlin
Nach dem Tod des russischen Regimekritikers Alexej Nawalny reist die Kritik an den russischen Behörden nicht ab. Die Stiftung Zukunft Berlin schlägt vor, einen Platz in Berlin nach ihm zu benennen.
„Der Tod des Oppositionsführers Alexej Nawalny in einem entfernten Gefängnislager Russlands wurde weltweit von Christen wahrgenommen“, schreibt die Zeitung Church Times aus London am 21. Februar. Nawalny war in der Strafkolonie Nr. 3 „Polarwolf“ in Charp, einem Ort nördlich des Polarkreises über 3.000 Kilometer von Moskau entfernt, am 16. Februar gestorben. Nicht nur Christen, sondern jede und jeder, der das hohe Gut der Meinungsfreiheit zu schätzen weiß und Respekt hat vor Menschen, die mutig ihre Überzeugung vertreten, ist bestürzt über diesen Tod und entsetzt über die Brutalität, mit der ein Oppositionspolitiker in Russland ausgeschaltet worden ist – was auch immer die genaue Todesursache sein mag, sei es die Schwächung durch unmenschliche Haftbedingungen oder physische Gewaltanwendung. Wer jetzt in Russland seiner Trauer Ausdruck gibt, hat mit staatlicher Einschüchterung und Inhaftierung zu rechnen.
Tod vor den Wahlen
Der Zeitpunkt dieses Todes ist brisant. Russland überzieht seit zehn Jahren sein Nachbarland Ukraine mit Krieg. Und genau zwei Jahre ist es her, dass mit offenen Kampfhandlungen das Ziel verfolgt wird, die Existenz der Ukraine zu vernichten. Vom 15. bis 17. März werden Präsidentschaftswahlen in Russland stattfinden. Kremlchef Wladimir Putin will sich nochmals für sechs Jahre wählen lassen. Zur politischen Kultur seines Machtsystems gehört es offenbar, den Bürgern Führungsstärke durch das brutale Ausschalten von Widersachern zu demonstrieren.
Berlin hat eine besondere Beziehung zu Alexej Nawalny. Nach dem Versuch, ihn im August 2020 mit einem Giftanschlag umzubringen, wurde er im Berliner Charité-Krankenhaus intensivmedizinisch behandelt. Mit mehreren unabhängigen Untersuchungen wurde festgestellt, dass er mit dem russischen Nowitschok Nervengift-Kampfstoff vergiftet worden war. Nach seiner Genesung hatte er im Januar 2021 den Mut, von Berlin aus wieder in seine Heimat zurückzukehren, um seinen politischen Kampf fortzuführen. Noch auf dem Flughafen in Moskau wurde er verhaftet, in vielerlei Prozessen angeklagt und zu Haftstrafen verurteilt. Durch Isolationshaft, Schlafentzug und andere Schikanen wurde ihm das Leben in den Strafanstalten zusätzlich erschwert.
Kein makelloser Held, aber unbeugsam im Einsatz für Demokratie
Nawalnys politische Entwicklung und die Positionen, die er dabei eingenommen hat, werden und müssen kritisch diskutiert werden. In seiner Anfangszeit zeigte er eine große Nähe zu den nationalistisch und kirchlich-konservativen Oppositionskräften in Russland. Geradezu völkische Auffassungen sind aus dieser Zeit überliefert. Populistische Rhetorik war ihm nicht fremd. Der übergriffigen Ukraine-Politik Russlands hat er sich nicht widersetzt. Eine würdigende Erinnerung an ihn ist also nicht dazu geeignet ist, ihn als makellosen Heiligen zu verehren. Aber er hat sich mit unbeugsamem Mut für demokratische Rechte eingesetzt, für Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung, das Recht der gewerkschaftlichen Organisation, faire Wahlen, und er hat mit aller Kraft Korruption angeprangert.
Stiftung Zukunft Berlin mit Idee eines Platzes für Nawalny
Wenige Tage nach seinem Tod hat die Stiftung Zukunft Berlin, deren Auftrag es ist, aus bürgerschaftlicher Mitverantwortung für unsre freiheitliche Demokratie öffentliche Diskurse anzuregen, vorgeschlagen, einen Ort in Berlin auszuwählen, an dem seiner gedacht wird. Parallel dazu macht zurzeit eine Initiative von Exil-Russen den Vorschlag eine Straße nach Nawalny zu benennen. Andererseits bringt die in Berlin lebende ukrainische Community verständlicherweise eine kritische Perspektive ein. Unsere demokratische Kultur lebt von einem solchen offenen, kontroversen Diskurs. Dieser Diskurs ist nun zu führen, um die beste Form zu finden, die Person Alexej Nawalnys in Berlin angemessen zu würdigen.
Markus Dröge ist seit 2022 Vorstandssprecher der politischen Stiftung Zukunft Berlin. Er war von 2009 bis 2019 Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO).