So erleben Menschen aus dem Ausland die fünfte Jahreszeit

Im Karneval ist egal, woher man kommt. Das merkt man bei den Funken der United Nations besonders. In Bonn zeigt der Karnevalsverein, wie international die fünfte Jahreszeit wirklich ist.

Feierlich trägt Audrey Ewert die blaue Narrenkappe auf einem Kissen in den Gobelinsaal des Bonner Rathauses. Dort soll Stephan I. als Tollität ihrer Karnevalsgesellschaft gekrönt werden. Es ertönen Jubel und jecke Lieder, so weit so normal für das Rheinland. Was nicht ganz normal ist: Bis auf „Alaaf“ und „Schönen Fastelovend“ sprechen viele Mitglieder von Audreys Karnevalsverein kaum Deutsch, geschweige denn einen rheinischen Dialekt. Denn wie die Australierin Audrey selbst kommen die Funken der United Nations aus aller Herren Länder.

Sie stammen aus Dänemark, Litauen oder Indien. Und sie alle vereint die Liebe zum Fastelovend. „Das Schöne ist ja, jeder Jeck ist anders und jeder hat seinen Platz im Karneval“, erklärt Audrey, die die UN Funken 2017 mitbegründet hat. Viele internationale Mitarbeiter hätten noch nichts vom Karneval gehört. Mit dem Verein wolle man das ändern und die Menschen mit ihrer rheinischen Heimat vernetzen.

Einer, der vom Karneval infiziert wurde, ist Gaurang Thanekar aus Indien. Er kam 2016 zum Studium nach Deutschland und ist seit einem halben Jahr bei den UN Funken. Den Inder überrascht jedes Mal auf Neue, wie die Rheinländer in der fünften Jahreszeit aus sich herauskommen: „Manchmal wirken die Deutschen ein bisschen reserviert. Aber an Karneval merkt man, das stimmt nicht. Die Menschen sind so offen und fröhlich, jeder kann Freunde finden. Dann ist es wie bei den großen Straßen-Festivals bei uns in Indien.“

Diese Erfahrung hat auch Audrey gemacht. Sie kam 2010 nach Deutschland, in die Heimat ihres Vaters, der als Kind von Bad Godesberg nach Down Under zog. Bis Audrey ihre Stelle bei den UN antrat, hatte sie keinen Kontakt zum Karneval. „Aber als ich dann in einem Januar nach Bonn gekommen bin, hat ein Cousin meines Vaters mich sofort auf sechs Karnevalspartys geschleift. Es war großartig, die Menschen feierten schon zum Mittagessen“, erinnert sie sich.

Diesen Frohsinn wolle sie mit den UN Funken nun nach außen tragen. Und gleichzeitig die Werte der Nachhaltigkeit, für die die UN einstünden. „Wir glauben, dass man immer etwas tun kann, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen“, so Audrey. In dieser Session etwa sei ein Viertel der Funken-Kamelle für den Bonner Rosenmontagszug fair gehandelt. Weiter wollen die Funken auch Dinge werfen, die nicht aus Plastik sind – Blumensamen zum Beispiel oder Teebeutel.

Neben all dem Spaß ist es diese ernsthafte Seite des Karnevals, die manche UN-Funken schätzen. Skirmante Tamelyte kam aus Litauen zum Studium nach Bonn und lebte danach in verschiedenen Ländern auf der Welt. Vor drei Jahren kam sie wieder zurück. Früher war Karneval für sie nur eine große Party. Jetzt, in ihrer ersten Session als UN Funke, merke sie, wie viel Kultur doch dahinter stecke. So habe sie nicht gewusst, dass Weiberfastnacht schon über 200 Jahre Tradition hat. „Das ist eigentlich das Spannende, nicht das Bier“, meint Skirmante. Sie wolle helfen, diese Traditionen zu erhalten.

Dem schließt sich Camilla Carstensen aus Dänemark an: „Bei uns haben wir kein vergleichbares Fest. Mich begeistert an Karneval, dass man eigentlich Geschichte feiert. Man hält Traditionen lebendig.“ Viele seien sich gar nicht bewusst, dass es Zeiten gab, in denen Karneval verboten wurde. Oder wie politisch das bunte Treiben eigentlich sei.

Trotzdem sind natürlich für alle UN Funken die Emotionen ein Kernpunkt der fünften Jahreszeit, meint Audrey. Sie selbst war drei Jahre lang die „UNiversa“, die Tollität der UN. Selten habe sie so schnell so viele freundliche Menschen kennengelernt, wie in dieser Zeit. „Es dreht sich ja auch nicht alles ums Feiern. Es geht darum, zusammen zu sein und den Augenblick zu genießen“, meint die Wahl-Rheinländerin. Sie hoffe in Zukunft, noch vielen internationalen Freunden den Karneval nahebringen zu können. Denn der verbinde nicht nur Menschen, sondern sei auch gut für die Seele: „Warum sollte ich im Winter traurig sein, wenn ich auch einfach feiern kann?“