Reerdigung: Berlin und Brandenburg diskutieren über alternative Betattungsform
Schleswig-Holstein ist Vorreiter bei der Reerdigung, bei der die Leiche zu Humus wird. Ziehen andere Bundesländer bei der alternativen Bestattungsform nach? Berlin und Brandenburg diskutieren.
„Ein Bett aus Heu und Blumen“ verspricht das Berliner Startup „Meine Erde“ auf seiner Webseite für die neue Bestattungsform Reerdigung: Der Leichnam wird in einem sargähnlichen Behälter auf Klee, Lupine und Stroh gebettet. Durch natürliche Mikroorganismen wird der Leichnam in dem luftdicht abgeschlossenen Sarg innerhalb von 40 Tagen zersetzt. Übrig bleiben Erde, das Skelett und Metallteile, die möglicherweise im Körper waren. Die Knochen werden gemahlen und können dann gemeinsam mit der Erde in einem abbaubaren Leichentuch bestattet werden.
Die Methode ist nachhaltig. Sogar der Sarg kann anschließend wieder verwendet werden. Und, wie es auf der Webseite des Start-ups heißt, wird die neue Erde auf dem Friedhof „in der bodenaktiven Schicht eingebracht, wo sie ihre Nährstoffe an die Pflanzen weiterreichen kann“.
Allerdings: Zugelassen ist die neue Bestattungsform weder in Berlin, dem Unternehmenssitz der Firma, noch in Brandenburg. Lediglich in Schleswig-Holstein darf im Rahmen eines Pilotversuchs reerdigt werden. Die so entstandene Erde darf in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern auf Friedhöfen ihre letzte Ruhe finden.
Reerdigungen: Schleswig-Holstein ist Vorreiter
In Berlin setzt sich der SPD-Abgeordnete Lars Düsterhöft für die Zulassung von Reerdigung im Stadtstaat ein. Er fuhr nach Schleswig-Holstein, informierte sich dort über die Methode. Er besuchte ein Berliner Krematorium. Er lud Vertreter der großen Religionsgemeinschaften ins Abgeordnetenhaus ein und nahm dort viel Offenheit wahr, wie er erzählt.
Charlotte von Kielmansegg, Sprecherin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, sagt es hingegen verhaltener: „Die EKBO hat sich noch keine abschließende Position zu den wirtschaftlichen, rechtlichen, kirchenrechtlichen und anderen Aspekten der Reerdigung gebildet. Dies wird erfolgen, wenn eine gesetzliche Einordnung der Reerdigung erfolgt ist. Theologisch-ethisch ist die Frage entscheidend, ob der Umgang mit den Toten, mit Tod, Trauer und Bestattung die Kriterien des Angemessenen, Würdigen und Liebevollen erfüllt. Dies schließt die Frage ein, ob eine würdevolle Gestaltung aller Phasen der Bestattungsart gewährleistet ist.“
Reerdigung “passt zur Bewahrung der Schöpfung”
Hilke Lage, evangelisch-lutherische Pastorin in Mölln, wo die Reerdigung zuerst angeboten wurde, sagte hingegen zur Nordkirche: „Die Idee der Nachhaltigkeit hat uns überzeugt.“ Der Gedanke passe zum Auftrag, die Schöpfung zu bewahren: „Erde zu Erde“ oder „Von der Erde bist du genommen, und zur Erde kehrst du zurück“.
Für die Zulassung der Reerdigung müsste in Berlin das Bestattungsgesetz geändert werden, informiert Oliver Fey von der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit. Das sei aber „in dieser Legislaturperiode aufgrund der fehlenden Grundlage im Koalitionsvertrag nicht realistisch“.
Bestatter haben Bedenken
Bedenken gibt es bei der Bestatterinnung. Deren Vertreter Fabian Lenzen merkt beispielsweise an, dass wissenschaftlich noch nicht untersucht sei, ob die entstandene Erde möglicherweise Krankheitserreger enthalte und davon eine Gesundheitsgefahr ausgehe. Lars Düsterhöft macht das richtig wütend: Bei Erdbestattungen würden die Leichname mitsamt ihren Krankheitserregern bestattet werden. Bei der Reerdigung würden Mikroorganismen hingegen die Körper bei 70 Grad zersetzen. Der SPD-Politiker hält das Argument darum für vorgeschoben. „In meinen Augen ist die Kritik monetär bedingt. Es können weniger Särge verkauft und weniger Einäscherungen vorgenommen werden.“