Wie im Jahr 2003 die EKBO entstand

Vor 20 Jahren entschied die schlesische Kirche: Wir sind zu wenige. Es war der Beginn der EKBO als Landeskirche. Mit Hans-Jochen Kühne erinnert sich einer, der für die schlesische Kirche dabei war.

Vertragsunterzeichnung EKBO. Bischof Wolfgang Huber (li.) und Bischof Klaus Wollenweber 2003
Vertragsunterzeichnung EKBO. Bischof Wolfgang Huber (li.) und Bischof Klaus Wollenweber 2003epd-Bild/ Andreas Schölzel

Eine „historische Entscheidung“ ­titelte „Die Kirche“ in ihrer Ausgabe für die schlesische Oberlausitz nach der Zustimmung der Provinzialsynode zur Bildung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Am Abend des 15. November 2003 hatten sich in der Kreuzbergbaude Jauernick 28 von 38 Synodale mit ihrem Ja für die Annahme des Kirchengesetzes ausgesprochen. Dieser Entscheidung war ein langes Ringen vorausgegangen.

Bereits im Januar 2000 hatte die Görlitzer Kirchenleitung Kontakt zur Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg aufgenommen. Gemeinsam wurde eine Initiative zum Zusammenschluss aller oder einzelner östlicher Gliedkirchen der Evangelischen Kirche der Union (EKU) vereinbart. Für uns als kleine Kirche war es von besonderem Interesse, anstehende Strukturveränderungen wirklich mitzugestalten und die eigene Identität und Tradition einbringen und bewahren zu können. Dieses forderte geradezu heraus, die Gemeinsamkeiten innerhalb der EKU zu einer Neugestaltung zu nutzen.

Nur noch 64.000 Gemeindeglieder

Wir waren nicht dabei, uns „die Existenzberechtigung selbst abzusprechen“, wie es schon im Mai 2000 kritisch in einem Leserbrief an „Die Kirche“ hieß. Im Wissen um die Aufgaben einer Landeskirche und den Anspruch an eine Körperschaft öffentlichen Rechts sah die Kirchenleitung jedoch angesichts von nur noch knapp 64.000 Gemeindegliedern den Zeitpunkt herangereift, der Frage nach der landeskirchlichen Eigenständigkeit nicht mehr auszuweichen, sondern die uns gegebenen Grenzen deutlich zu markieren und Konsequenzen ­daraus zu ziehen.

Die Provinzialsynode hielt auch 2001, als die Evangelische Landeskirche Anhalts aus dem begonnenen Prozess ausschied, an der Zielstellung fest, zusammen mit der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg eine neue Kirche zu bilden. Ein Jahr später lag der Entwurf des gemeinsamen Verfassungsausschusses für die Grundordnung einer zukünftigen Kirche auf dem Tisch der beiden Synoden.

Bei uns war gerade eine neue Provinzialsynode gewählt worden, in der die Stimmen für eine unveränderte Selbstständigkeit oder ein Zusammengehen mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens zugenommen hatten. So wurde umgehend bei der ersten Tagung im November 2002 ein Antrag eingebracht, alle bisherigen Beschlüsse mit Berlin-Brandenburg aufzuheben und in Verhandlungen mit der sächsischen Landeskirche einzutreten. Dieser Antrag fand zwar keine Mehrheit, offenbarte aber die veränderte Stimmungslage. Diese spiegelte sich auch in der Abstimmung am 20. September 2003 in der Bartholomäuskirche in Berlin-Friedrichshain wider, als auf unserer Seite zwei Stimmen für die notwendige Zweidrittelmehrheit zur Kirchenneubildung fehlten. Und das obwohl die gleiche Synode noch drei Monate zuvor erklärt hatte, dass sie „in einem Neubildungsprozess eine große innovative Kraft“ sieht.

Neue Beratungen nach Abstimmungsdesaster

Mit dem Abstimmungsergebnis von Berlin sah die Kirchenleitung der schlesischen Oberlausitz mehrheitlich den Prozess der Neubildung noch nicht für beendet an und setzte ihn erneut zur Beratung auf die Tagesordnung der nachfolgenden Tagung der Provinzialsynode im November 2003. Auch hier gab es den Gegenantrag, den Neubildungsprozess für beendet zu erklären. Doch er erhielt wiederum keine Mehrheit. So war der Weg frei für eine neue Behandlung des Kirchengesetzes über die Bildung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Gewiss ist mancher Synodalin und manchem Synodalen die Entscheidung nicht leicht gefallen. Doch am Ende gab es nach langer  Debatte die notwendige Zustimmung.

Spannende Entscheidungen im November

Blickt man zurück in der Geschichte unserer Kirche, scheint der November überhaupt ein Monat für „spannende Entscheidungen“ gewesen zu sein. Auf den 14. November 1946 ist eine Notverordnung datiert, die die weitere Einheit der schlesischen Kirche östlich und westlich der Neiße gewährleisten sollte und festlegte, dass in jedem Fall die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Schlesien von den noch in Breslau anwesenden Mitgliedern repräsentiert werden soll. Es ist eine rückdatierte Verordnung, die eigentlich erst am 2. Dezember beschlossen wurde, als nach polnischem Recht den Deutschen schon gar kein kirchenleitendes Handeln mehr erlaubt war.

Ein Jahr später, im November 1947, stimmte die Kirchenleitung in Görlitz mehrheitlich für die Aufhebung dieser Notverordnung, was zu schwer­wiegenden Spannungen mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen über die Zukunft einer schlesischen Kirche und schließlich 1949 zur Spaltung der Kirchenleitung führte. Für die ohnehin äußerst schwierige Anfangsphase der Evangelischen Kirche von Schlesien war dieses Zerwürfnis ein schmerz­licher Prozess, zumal er von Vertretern der Bekennenden Kirche ausging, die nach 1945 die Neuorientierung der schlesischen Kirche maßgeblich mitbestimmt hatten. Über die Handlungsfähigkeit der Kirchenleitung wurde schließlich am 17. November 1949 in der Kirchenleitung der altpreußischen Union entschieden, indem man etwa die Mitgliedschaft der vier widersprechenden Kirchenleitungsmitglieder für ruhend erklärte. Erst danach konnten Ende November 1949 Schritte zur Bildung einer Provinzialsynode eingeleitet werden.

Bischof Hans-Joachim Fränkel war prägend

Bereits diese erste Provinzial­synode der Evangelischen Kirche von Schlesien rang 1950 um die Frage der Bildung einer eigenständigen Landeskirche für das verbliebene kleine schlesische Gebiet westlich der Neiße. Sie verabschiedete schließlich am 14. November 1951 die neue Kirchenordnung. Jahre später war es wieder im November, als 1963 Oberkonsistorialrat Hans-Joachim Fränkel als Nachfolger von Bischof Ernst Hornig gewählt wurde. Schon seit 1945 trug er maßgebliche Verantwortung mit für den Weg unserer Kirche. Nun prägte er als Bischof mit seiner klaren ­Haltung gegen alle ideologischen Totalitätsansprüche von Partei und Staat wie kein anderer das geist­liche Miteinander in dieser Kirche und verlieh ihr so eine große Anziehungskraft und Ausstrahlung.

Mit der Kirchenneubildung von 2003 ist diese schlesische Geschichte als Entdeckungs-, Vermittlungs- und Gestaltungsaufgabe nicht nur auf den heutigen Kirchenkreis Schlesische Oberlausitz, sondern auf die gesamte Evangelische ­Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz übergegangen.

Hans-­Jochen Kühne war bis 2003 Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der schlesischen Oberlausitz und bis zum Ruhestand 2005 der Kirchenleitung der EKBO.