Rassismusforscherin Nathalie Eleyth entsetzt über Berliner Synode
Nathalie Eleyth spricht auf der Synode der Berliner Landeskirche über Rassismus. Vom Präsidium fühlt sie sich für ihr „gutes Deutsch“ gelobt, ein Teil der Synode lacht. Was ist passiert?
Nathalie Eleyth ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Rassismuskritische und Postkoloniale Theologie. Sie wurde eingeladen, um vor der Synode der Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) einen Vortrag zu halten. Schließlich hat sich die EKBO zum Ziel gesetzt, eine rassismuskritische Kirche zu werden. Was jedoch folgte, war nach den Worten von Eleyth Herabwürdigung und Häme. Wie geht es der jungen Frau einige Tage später, was ist seitdem passiert? (Einen Bericht zur EKBO-Synode lesen Sie hier)
Frau Eleyth, hatten Sie das Gefühl, dass Ihr Impulsvortrag auf der Synode angemessen wahrgenommen wurde?
Nathalie Eleyth: Es gab vereinzelt Versuche, meinen Vortrag als unwissenschaftlich zu diskreditieren und mir meine Expertise abzusprechen, weil das Gehörte bei von Rassismus nicht betroffenen Personen mitunter Abwehr, Unwohlsein und andere klassische Reaktionen weißer Fragilität auslöste.
Gleichzeitig habe ich auch viel Zuspruch von Leuten erhalten, die sich für die klaren und deutlichen Worte im Raum Kirche bedankt haben. Ich glaube, dass mein Vortrag eine Mehrheit von Personen auf eine gute Art und Weise irritiert und orientiert hat. Nach Daniela Konrädis und meinem Impuls weiterhin in „Happy Land“ zu verweilen, war auf der Synode nur schwer möglich (Als Happyland bezeichnet die Autorin Tupoka Ogette einen Zustand, in dem weiße Menschen leben, bevor sie sich bewusst mit Rassismus auseinandersetzen).
Nach einem Instagram-Post von Ihnen zur Atmosphäre auf der Landessynode hat sich die Landeskirche bei Ihnen entschuldigt, reicht Ihnen das aus?
Die Instagram-Story des Accounts „gemeinsam_ekbo“ war eine klassische „Nonpology“ und nicht an mich persönlich adressiert, sondern an alle anwesenden BI_PoC (Die Abkürzung ist ein Begriff, der sich auf Schwarze, Indigene und People of Color bezieht). Ich habe heute (27. November) ein sehr konstruktives Gespräch mit der Öffentlichkeitsbeauftragten der EKBO, Amet Bick, geführt, in dem sie sich entschuldigt hat und das habe ich gerne angenommen.
Mir ist vor allen Dingen wichtig, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen. Diskriminierungsfreie Räume sind eine Illusion, gleichzeitig ist es möglich, durch ein Awareness-Konzept bzw. eine Awareness-Person eine Veranstaltung diskriminierungsarm zu gestalten und Anwesende zu sensibilisieren. Die Öffentlichkeitsbeauftragte hat zugesagt, solche Maßnahmen für kommende Veranstaltungen zu berücksichtigen. Das ist ein guter und wichtiger Schritt.
Finden Sie das von der Synode verabschiedete Positionspapier „Auf dem Weg zu einer rassismuskritischen Kirche“ zukunftsweisend?
Zunächst finde ich es erfreulich, dass das nun verabschiedete Papier ein direktes Votum von mir berücksichtigt, auf das ich in meinem Vortrag mehrfach hingewiesen hatte. In der vom Ältestenrat vorgelegten Version lautete der problematische Titel „Auf dem Weg zu einer Kirche ohne Rassismus“. Nun heißt es „Auf dem Weg zu einer rassismuskritischen Kirche“. Dieser neue Titel ist vorzuziehen. Dadurch macht die EKBO deutlich, dass sie Teil einer rassistisch strukturierten Gesellschaft ist und sich nicht außerhalb des Herrschafts- und Unterdrückungssystems des Rassismus bewegt; sie ist Part der Verhältnisse, die sie kritisiert und zu überwinden versucht.
Weiterhin sind auch die Schaffung von Empowerment-Räumen und Maßnahmen zur Förderung der Repräsentanz und Teilhabe von BI_PoC zu begrüßen. Mir persönlich fehlen einige Punkte im Papier zum Beispiel die kirchliche Auseinandersetzung mit weißen Privilegien und Weißsein als sozialer Kategorie oder auch wann und wie konkret eine Evaluation des rassismuskritischen Entwicklungsprozesses erfolgt. Das verabschiedete Dokument ist als notwendiger erster Schritt anzuerkennen, dem weitere Schritte folgen müssen.
Wie kann der Diskurs mit der Kirche jetzt weitergehen?
Maßgeblich für den kirchlichen Diskurs scheint mir, dass alle Menschen innerhalb der Kirche wahrnehmen, dass christlicher Glaube nicht vor Ideologien der Ungleichwertigkeit immunisiert und wie tief verankert eigene Abwehrmechanismen zur Aufrechterhaltung eines positiven Selbstbildes sind. Ich glaube, die Synode hat bei einigen Synodalen für ein Diskrepanzerlebnis gesorgt, nämlich für die Erkenntnis, viel weniger über die Wirkmacht von Rassismus zu wissen, als man zu wissen glaubte.
Wünschenswert wäre, wenn eine Vielzahl von Menschen (gerade auch in höheren Leitungspositionen) sich nun proaktiv im Rahmen von Trainings und Fortbildungen mit Rassismuskritik, Kritischem Weißsein und Diskriminierungssensibilität befassen.
Hinweis
In einer früheren Version stand im Vorspann des Interviews, dass Nathalie Eleyth vom Präsidium für ihr „gutes Deutsch“ gelobt worden sei. Wir haben den Satz geändert in: „Vom Präsidium fühlt sie sich für ihr ‚gutes Deutsch‘ gelobt.“ Lesen sie hierzu auch den Gastbeitrag des Synodalen Reinhard Zöllner.