„Omas gegen Rechts“: Warum Birgit M. auf die Straße geht

Eigentlich geht sie nicht gern demonstrieren. Doch Birgit M. hat genug von AfD, Corona-Leugnern und Antisemitismus. Deswegen ist die Göttingerin aktiv geworden – bei den „Omas gegen Rechts“.

Demo gegen rechts: Die Omas gehen nicht nur in Göttingen auf die Straße
Demo gegen rechts: Die Omas gehen nicht nur in Göttingen auf die StraßeOmas gegen Rechts

Birgit M. ist keine geborene Demonstrantin. Früher sei sie selten auf Demos gewesen. Eigentlich singe sie in ihrer Freizeit lieber im Kirchenchor, wandere oder besuche Konzerte, erzählt die Lehrerin. Doch mittlerweile malt sie Transparente, hält Mahnwachen und verteilt Flugblätter, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Denn seit drei Jahren ist die Göttingerin bei „Omas gegen Rechts“.

Schuld seien Corona und die sogenannten Querdenker, erzählt Birgit M. „Ich spürte den Rechtsruck in unserer Gesellschaft immer stärker. Es wird immer bedrohlicher“, sagt die 62-Jährige. „Aber ich saß nur im Sessel und fühlte mich ohnmächtig.“ Dass sich dann vor rund drei Jahren eine 22-Jährige Coronaleugnerin mit der Widerstandskämpferin Sophie Scholl verglichen habe, habe sie so sehr geärgert, dass sie nicht länger stillhalten wollte. „Ich war empört. Denn Sophie Scholl hat Leben ihr riskiert. Wer sich heute mit ihr vergleicht, verharmlost die Nazi-Diktatur und verfälscht die deutsche Geschichte.“

„Das tat mir richtig gut“

Birgit M. wusste, dass sie etwas gegen diese Entwicklung, aber auch gegen ihre eigene Hilflosigkeit unternehmen musste. Sie beschäftigte sich intensiv mit Deutschlands Nazi-Vergangenheit, hörte sich Vorträge an und knüpfte schließlich Kontakt zu den „Omas gegen Rechts“, einer überparteilichen Gruppe von Frauen, die seit knapp sechs Jahren an vielen Orten gegen Rechtsextremismus, Faschismus und Antisemitismus demonstrieren. „Das tat mir richtig gut. Ich spürte, dass ich mich da einbringen will.“

Bundesweit sind die "Omas gegen Rechts aktiv – und zeigen klare Kante
Bundesweit sind die "Omas gegen Rechts aktiv – und zeigen klare KanteImago / Sven Simon

Seit drei Jahren beteiligt sich Birgit M. zusammen mit bis zu 30 anderen Frauen an den Mahnwachen, die jeweils am letzten Sonnabend im Monat von 11 bis 12 Uhr auf dem Göttinger Markt stattfinden. „Vorher treffen wir uns ein- oder zweimal und diskutieren, welches Thema wir aufgreifen, und malen Transparente“, erzählt Birgit M., die geschieden ist und einen Sohn hat. „Es ist gar nicht so einfach, macht aber viel Spaß. Denn die Plakate müssen gut aussehen und lesbar sein“, schmunzelt Birgit M. Auch an größeren Demonstrationen gegen Rechtsextremismus nehme die Gruppe teil. Lange hätten die „Omas gegen Rechts“ eine Mahnwache gegen die sogenannten „Querdenker“ gehalten.

Deutsche haben besondere Verantwortung

„Wir haben als Deutsche eine besondere Verantwortung“, ist Birgit M. überzeugt. „Es kann nicht sein, dass man den völkischen Quatsch mittlerweile wie selbstverständlich in der Öffentlichkeit verbreiten darf“, ärgert sich Birgit M. Auch über die AfD ärgere sie sich. Die Mitglieder dieser Partei würden die Demokratie verachten und die Meinungsfreiheit für Hetze missbrauchen. „Ich finde es gemein, wenn diese Leute Schwache gegen noch Schwächere aufhetzen. Eigentlich müsste man diese Partei verbieten.“

Die Reaktionen auf die Demonstrationen der „Omas gegen Rechts“, die bei ihren Demos weiße Westen tragen, sind unterschiedlich. „Wir erleben viel Zuspruch“, sagt Birgit M. „Viele Menschen kommen auf uns zu und loben unser Engagement. Aber es gibt auch die anderen, die böse Bemerkungen machen.“ Sie selbst gehe solchen Diskussionen aus dem Weg. „Manche von uns mögen den Streit. Aber ich habe auf das dumme Gerede keine Lust. Gegen überzeugte Verschwörungstheoretiker kommt man nicht an“, sagt Birgit M.

„Ein bisschen wirksam sein“

Zum Demonstrieren gehöre auch die Auseinandersetzung mit Gewalterfahrungen. Einmal habe jemand die Stange ihres Transparents weggeschlagen, erzählt Birgit M. „Da sei es wichtig, dass wir in der Gruppe zusammenstehen.“ Doch körperliche Gewalt habe sie auf den Demos bisher noch nicht erlebt. Sie habe auch keine Angst. Im Gegenteil: Das gemeinsame Engagement mache ihr Hoffnung. „Es ist besser, sich zu engagieren, als einfach dazusitzen und nichts zu tun. So habe ich das Gefühl, wenigstens ein bisschen wirksam zu sein.“ Daneben sorge sie dafür, dass die Musik nicht zu kurz komme, betont Birgit M. „Ich will auch schöne Sachen machen.“