Nach den Silvester-Randalen wird über Täter diskutiert

Wer hat zu Silvester Krawall gemacht? Darüber wird heftig gestritten. Für einen CSU-Politiker waren es „eindeutig“ Migranten. Doch ein Konfliktforscher und ein Psychologe warnen.

Im hessischen Friedrichsdorf ist in der Silvesternacht ein Fahrkartenautomat beschädigt worden
Im hessischen Friedrichsdorf ist in der Silvesternacht ein Fahrkartenautomat beschädigt wordenImago / 3S PHOTOGRAPHY

Der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Uwe Brandl (CSU), macht Menschen mit Migrationshintergrund für die Krawalle an Silvester verantwortlich. Die Entgleisungen seien „eindeutig zuordenbar“, sagte Brandl in Berlin. „Der Umgang mit Migranten, die sich jenseits der Rechtsordnung verhalten, muss offen diskutiert werden“, forderte der CSU-Politiker. Der Gewaltforscher Andreas Zick hingegen betonte, selbst wenn junge Männer aus migrantischen Milieus beteiligt seien, seien es von Drogen aufgeputschte Menschen sowie solche, „die Spaß an Gewalt haben und andere darin bestätigen, dass Gewalt Spaß macht“.

Man könne die Gruppendynamik genauer erforschen, sagte der Sozialpsychologe Zick, der Leiter des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld ist, dem Redaktions-Netzwerk Deutschland: „Aber wir müssen das ohne Vorurteil und Vorabbeschuldigung von Gruppen tun, denn es sind viele Gruppen, die die Dynamik erzeugen.“ Ein Pauschalurteil beleidige Millionen von Menschen, die sich als Einwanderer verstehen, und blende aus, „wie viele Menschen mit Migrationsgeschichte selbst in den Rettungs- und Polizeidienststellen arbeiten und ebenfalls Opfer sind“.

Neue Zahlen veröffentlicht

Bereits gestern hatte die Berliner Polizei neue Zahlen zu den Festnahmen an Silvester veröffentlicht. Demnach haben 45 der 145 Festgenommenen die deutsche Staatsbürgerschaft, 27 die afghanische und 21 die syrische. Der Rest verteilt sich auf 17 weitere Nationalitäten. Die Angaben sind vorläufig, bei 13 der mutmaßlichen Täter ist die Staatsangehörigkeit noch unklar. Zahlen aus anderen Städten liegen dem Evangelischen Pressedienst (epd) nicht vor.

Der Psychologe und Autor Ahmad Mansour mahnte, es sei zu einfach, nur Migrationshintergrund als Tatmotiv darzustellen. Es sei aber ebenfalls zu einfach, Migrationshintergrund komplett auszublenden. Mansour erklärte, bei Straftaten könne es wichtig sein zu betrachten, ob etwa Menschen, die aus autoritären Systemen nach Deutschland gekommen seien, den Rechtsstaat als schwach wahrnähmen. Erziehungsmethoden und ein Aufwachsen in patriarchalen Strukturen könnten für solche Eskalationen von Bedeutung sein.

Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner sagte in Berlin, der Kern der Debatte seien nicht der sogenannte Migrationshintergrund oder Böllerverbote, sondern es seien die Angriffe auf den Rechtsstaat. Zum Thema Migrationshintergrund sagte er, es sei in solchen Situationen immer richtig, genau hinzuschauen. Deshalb sei es „gut und richtig“, dass die Landespolizei ein ganz präzises Lagebild erstelle.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) kündigte einen Gipfel gegen Jugendgewalt an. Als Antwort auf die „massive Respektlosigkeit“ und die Gewalt brauche es einen „Mix aus ausgestreckter Hand und Stopp-Signal“, sagte Giffey. Taten müssten konsequent und schnell bestraft werden. Anstrengungen seien in mehreren Bereichen nötig, betonte die Regierende Bürgermeisterin: „Das muss in Schule, in Jugendsozialarbeit, der polizeilichen Präventionsarbeit, aber auch in der Jugendgerichtshilfe eine konzertierte Aktion geben.“

Rettungsdienste forderten unterdessen mehr Respekt für ihre Beschäftigten. Es brauche eine gesamtgesellschaftliche Debatte darüber, sagte der Pressesprecher des Bayrischen Roten Kreuzes, Sohrab Taheri-Sohi, dem epd: „Wenn mehr Respekt für solche Menschen in der ganzen Gesellschaft vorhanden ist, dann gehen vielleicht auch Freunde oder Angehörige dazwischen, wenn Einzelne Rettungskräfte angreifen.“

„Verrohung schon seit Jahren“

Der Bundesvorsitzende des Arbeiter-Samariter-Bunds, Knut Fleckenstein, sagte dem epd, die Angriffe seien „Höhepunkt einer seit Jahren beobachtbaren Verrohung und Respektlosigkeit gegenüber Einsatzkräften“. Die Täter müssten ermittelt und bestraft werden. Der Vizepräsident des Bundesverbands eigenständiger Rettungsdienste und Katastrophenschutz, Sebastian Sommerfeld, forderte härtere Gesetze.