Legalisierung von Abtreibung: Ein Pro & Contra
Eine Kommission empfiehlt der Bundesregierung, Abtreibungen zu legalisieren. Ist das der richtige Weg? Katharina Körting und Maike Schöfer sind sich nicht einig. Ein Pro & Contra von zwei Müttern.
Pro: “Platz für Freiheit”
Von Maike Schöfer
Ich bin Pfarrerin und Mutter und für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten Schwangerschaftsmonaten. Das sage ich laut. Denn Schwangerschaftsabbrüche finden hierzulande unkontrolliert, tabuisiert, kriminalisiert und unterversorgt statt.
Um die Lage von Schwangeren zu verbessern, kann eine Legalisierung beitragen. Denn es macht einen Unterschied, ob ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten Unrecht ist oder Recht. Häufig ist von „Lebensschützer*innen“ die Rede vom „ungeborenen Leben“. Doch das ist eine Verzerrung der Debatte. Es macht Abtreibungsbefürworter*innen wie mich zu Gegner*innen des Lebens. Ich bin nicht gegen das Leben. Ich bin für das Leben.
Manipulatives Wording
Und für körperliche Selbstbestimmung. Das Wording „ungeborenes Leben“ ist sprachlich manipulativ. Es wird dadurch ein Interessengegensatz herbeigeführt, der schwangere Person und Embryo gegenüberstellt. Doch Schwangere und Embryo können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. Es kann nicht gegen und über die schwangere Person entschieden werden. Nur von und mit der schwangeren Person.
Paragraf 218 ist staatliches Eingreifen in den schwangeren Bauch. Mehr noch: Es ist patriarchale Macht über schwangere Körper, insbesondere Frauen. Wenn ich auf mein Demo-Schild „Mein Bauch gehört mir“ schreibe, dann geht es mir um Reproduktive Selbstbestimmung. Das heißt, dass niemand zu einer Schwangerschaft oder einem Abbruch gezwungen werden. Es darf aber auch niemand am Schwanger werden und am Schwanger sein gehindert werden.
Mit Demoschild und Kreuzkette
Die reproduktive Selbstbestimmung führt nicht, wie oft erwartet, zu vermehrten Schwangerschaftsabbrüchen. Sie bedeutet auch nicht, dass schwangere Menschen abtreiben müssen. Nein – eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bietet Platz für Freiheit, die alle schwangeren Menschen mit einbezieht, in all ihrer Verschiedenheit, von Abtreibungsgegner*innen bis hin zu -befürworter*innen.
Und das ist evangelisch: der Einsatz für Freiheit und Selbstbestimmung für alle Menschen. Menschen in schwierigen Lebenslagen nicht zu verurteilen, sondern zu begleiten. In Ambiguität. Für das Leben. Das sage ich laut. Mit Demoschild in der Hand und Kreuzkette um den Hals.
Maike Schöfer ist Pfarrerin in Berlin-Adlershof, macht den interreligiösen Podcast „Drei Frauen, Drei Religionen, ein Thema“ und schreibt auf Instagram als @ja.und.amen”.
Das Gendersternchen wurde auf ausdrücklichen Wunsch der Autorin gebraucht.
Kontra: “Abtreibung ist keine neutrale medizinische Dienstleistung”
Von Katharina Körting
Der Jubel der Französinnen über die „Freiheit zur Abtreibung“ befremdet. Doch auch für Protestantinnen scheint es nur eine akzeptable Lösung zu geben: Legalisierung. Da muss ich mal persönlich werden: Ich habe zwei Töchter und zwei Söhne – und zwei Abtreibungen. Bei den letzten beiden Schwangerschaften waren die Umstände und der Vater sehr dagegen und Abtreibung (in Berlin) sehr leicht. Alle waren lieb zu mir. Niemand ermutigte mich, das Kind auszutragen. Dabei soll die Beratung „Perspektiven für ein Leben mit dem Kind eröffnen“ und der Frau „helfen“, eine „gewissenhafte Entscheidung zu treffen“ (§ 219).
Bei meiner Beratung war es umgekehrt. Mir wurde geholfen, mich zu einem „Nein“ durchzuringen. Abgekämpft vom Leben mit kleinen Kindern in einer auf Selbstoptimierung und -vermarktung fixierten Gesellschaft, fehlte mir die Kraft, gegen Widerstände voll überzeugt „Ja“ zum Leben in meinem Bauch sagen.
“Das ist Willkür”
Es ist nicht so, dass ich Schuldgefühle habe. Eher Vermissensgefühle, wie bei jedem Verlust. Im Nachhinein hätte ich mir eine ergebnisoffene Beratung gewünscht, denn ein Abbruch ist keine neutrale medizinische Dienstleistung, auch wenn der technizistische Name der „Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ Sachlichkeit nahelegt. Eine Pflicht zur Beratung fordert sie nicht.
Mag sein, dass das Strafrecht nicht der richtige Ort dafür ist, aber „Freiheit“ ist eine noch weniger stimmige Rubrik. In deren Namen wird ungeborenes Leben aufgeteilt: in ein Zwölf-Wochen-Bündel, dessen Tötung nicht strafbar ist, und einen Danach-Körper, für den das Strafrecht zuständig ist. Das ist Willkür.
Abtreibung – ein “mieser Kompromiss”
Jede Schwangerschaft betrifft Körper und Seele – und Gott. Eine Abtreibung ist kein Grund zum Triumphieren, sondern ein notwendig mieser Kompromiss mit dem Leben und mit dem Tod. Die mühsam errungene „Nein, aber“-Regelung muss bleiben. Individuelle „Perspektiven“ für ein Leben mit Kindern reichen nicht. Es muss vielmehr gesamtgesellschaftlich alles getan werden, um Kinder willkommen zu heißen – und Eltern das Leben radikal zu erleichtern.
Katharina Körting ist freie Autorin, Journalistin und 2024 Arbeitsstipendiatin für deutschsprachige Literatur der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.