Kirchen als Hitzeschutz: Warum sind nur so wenige geöffnet?

Es ist Hochsommer in Deutschland. Doch aktuell öffnen nur wenige Kirchen ihre Türen als Hitzeschutz für Menschen. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Viele Kirchen bleiben geschlossen, obwohl sie im Sommer Abkühlung und Ruhe bieten könnten
Viele Kirchen bleiben geschlossen, obwohl sie im Sommer Abkühlung und Ruhe bieten könntenepd-bild/Rolf Zoellner

Es liegt ein Jahr zurück, da hatte Annette Kurschus, die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, an die Kirchengemeinden appelliert, ihre Gebäude im Sommer als kühle Schutzräume vor Hitze zu öffnen. „Kirchen sind durch ihre bauliche Beschaffenheit und ohne den Einsatz von Kühltechnik häufig die kühlsten Orte in Stadt und Land. Sie können Menschen Schutz vor Hitze bieten“, sagte Kurschus dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Diesen Schatz möchten wir mit möglichst vielen teilen, die von Hitze geplagt sind oder auch nur eine kurze Atempause brauchen.“

Trotz des Appells stehen auf einer Liste der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) von Kirchen in Berlin, die tagsüber geöffnet sind, lediglich sieben Kirchen. Auch wenn die Liste möglicherweise nicht ganz vollständig ist, dürften die meisten Kirchengebäude in der Stadt in der Regel geschlossen sein.

Geöffnete Kirchen: Müll im Taufbecken

Dabei war die geöffnete Kirchentür über Jahrhunderte Normalität. Mit der Säkularisierung änderte sich das. Kirchengemeinden machten etwa die Erfahrung, dass Rucksacktouristen, die in Kirchen picknicken, ihren Müll nicht wieder mitnahmen und dass Kunstgegenstände von historischem Wert gestohlen wurden. Ein katholischer Kirchenvertreter weiß sogar von Fäkalien, die eine Gemeinde, als deren Kirchentür noch geöffnet war, im Taufbecken vorgefunden hätte. Alles das führte dazu, dass die Motivation, eine Kirche zu öffnen, bei den Gemeinden nicht immer vorhanden ist, insbesondere wenn ehrenamtliche Mitarbeitende fehlen, die eine Aufsicht geöffneter Kirchen absichern können.

Eine der wenigen geöffneten Kirchen ist die St. Marienkirche am Alexanderplatz. Hierher kommen, so Pfarrer Michael Kösling, mehrere hundert Touristen pro Tag. Aber auch soziale Randgruppen suchen hier Ruhe und Schutz: Verwirrte Menschen, Alkoholkranke und Obdachlose. Die Gemeinde hat sich entschieden, einen hauptamtlichen Kirchenwart anzustellen, der von Ehrenamtlern unterstützt wird. Ein höheres Besucheraufkommen an heißen Tagen hat der Pfarrer bisher aber nicht festgestellt. „Wir bieten bisher auch kein Wasser oder anderen Hitzeschutz an.“ Zudem sei die St. Marienkirche als einzeln stehendes Gebäude mit großen Fenstern auch nicht besonders kühl, wenn auch kühler als normale Wohnräume. Deutlich kühler sei es in der Parochialkirche in der Klosterstraße, die ebenfalls zu Köslings Pfarrbereich gehört und auch tagsüber offen steht. Wegen der Lage abseits der Touristenpfade kämen hierher allerdings deutlich weniger Besucherinnen und Besucher, sagt der Pfarrer.

Kirchen als kühler Ort: Klimawandel verlangt neue Lösungen

Im Land Berlin und in mehreren Bezirken der Stadt wird über Hitzeschutzpläne diskutiert, bei denen Kirchgebäude eine Rolle spielen. Im Abgeordnetenhaus befindet sich ein entsprechender Antrag der Linken im parlamentarischen Verfahren. Tobias Schulze, der Fraktionschef der Linken, sagt, dass es sich Berlin in Zeiten des Klimawandels nicht leisten kann, Hunderte wohl temperierte Sakralbauten nur dann offen zu halten, wenn die Kirchengemeinden Ehrenamtliche finden, die sich darum kümmern. „Sakralbauten bleiben aufgrund ihrer Bauweise in Hitzeperioden besonders kühl“, sagt Schulze. „Es sollte hier noch mal Absprachen mit der Landesregierung geben, die auch die Probleme der personellen Absicherung lösen.“

Einige Bezirke sind bei der Erarbeitung von Hitzeschutzplänen bereits auf die Kirchen zugegangen mit der Bitte, ihre Gebäude bei Hitzewarnstufe 1 – Temperatur ab 32 Grad und kaum nächtlicher Abkühlung – zu öffnen und mit Trinkwasser auszustatten. In Charlottenburg-Wilmersdorf, wo der Hitzeschutzplan Ende Juni diesen Jahres bereits beschlossen wurde, kommen ganze zwei Kirchen der Bitte nach. Auch hier handelt es sich um Gemeinden, die über ehrenamtliche Kapazitäten verfügen oder die ohnehin öfter ihre Türen öffnen, beispielsweise für die Berliner Tafel. Geld bekommen die Gemeinden vom Bezirk für die zusätzliche Öffnung nicht. Wegen der wenigen Hitzetage in diesem Sommer sind Aussagen zur Resonanz noch nicht möglich.