Käßmann entsetzt über Lage an polnisch-belarussischer Grenze

Die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze ist für die Flüchtlinge dramatisch. Die ehemalige hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann kritisiert die Abschottung Europas. Auch Hilfswerke schlagen Alarm.

Theologin Margot Käßmann
Theologin Margot KäßmannMeike Boeschemeyer / epd

Hannover, Berlin. Die Theologin Margot Käßmann hat sich entsetzt gezeigt über die Lage der Flüchtlinge an der polnisch-belarussischen Grenze. Sie könne die Bilder der Menschen, die an der Außengrenze Europas bei eisigen Temperaturen schutzlos in Wäldern kampierten, kaum ertragen, schrieb Käßmann in der „Bild am Sonntag“. Sie beklagte, in Deutschland herrsche eine „Angststarre, die Rechten könnten sagen, es würde Deutschland überfremden, wenn wir auch diese Flüchtlinge noch ins Land lassen“. Hilfswerke fordern einen freien Zugang zu den Menschen, Pro Asyl verlangt deren Aufnahme in die EU. Außenminister Heiko Maas (SPD) droht unterdessen Fluggesellschaften mit dem Entzug von Überflugrechten und Landegenehmigungen.

Die ehemalige hannoversche Landesbischöfin und Ex-Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) monierte, andere seien damit beschäftigt, trotz Lieferkrise alle Weihnachtsgeschenke zu ordern. Sie schrieb : „Echt, es kotzt mich an!“ An die Europäische Union appellierte sie, ein Machtwort zu sprechen: „Macht endlich klar, dass Barmherzigkeit nicht nur ein netter Begriff, sondern eine Haltung ist! Wohlfeile Worte über die europäischen Werte sind absolut hohl für alle, die bei Bildern von hungernden Kindern und Leichen erfrorener Menschen an der polnischen Grenze noch einen Funken Mitgefühl spüren.“

Drohung an Fluggesellschaften

Maas drohte allen Airlines, die sich weiter am Transport von Flüchtlingen nach Belarus beteiligten, mit dem Entzug von Überflugrechten und Landegenehmigungen in der EU. Sie sollten dem Beispiel von Turkish Airlines folgen, sagte er den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“.

Appell an EU

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) appellierte an die EU, sie „müsse sich schnell einigen, wie diesen Menschen geholfen werden kann“. Zugleich hält sie den Bau befestigter Grenzanlagen ausnahmsweise für vertretbar. „Zäune und Mauern an den Grenzen sollten, wo immer möglich, abgebaut werden. Leider ist dies angesichts der Politik Lukaschenkos nicht denkbar.“

Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl kritisierte die Abschottungspolitik der EU. Der Belarussische Präsident Alexander Lukaschenko könne die EU nur deshalb vorführen, weil sie bereit sei, Werte wie Menschlichkeit und das Asylrecht über Bord zu werfen, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt am Sonntag. Er forderte, den an der Grenze Festsitzenden die Einreise in die EU zu gestatten. „Darunter sind Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung fliehen. Sie haben ein Recht auf Schutz und Asyl in der EU.“ Deutschland sollte diejenigen aufnehmen, die familiäre Bezüge zu Deutschland hätten.

Unterkühlung droht

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und Polens Wohltätigkeitsorganisation WOSP haben humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge gefordert. Die Menschen, darunter auch Schwangere und Kinder, litten an Unterkühlung und seien erschöpft, sagte DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Die Abriegelung der Grenzregion widerspreche dem humanitären Grundsatz, demzufolge zu allen Menschen in Not Zugang gewährt werden müsse.

Polens größte nicht-staatliche Wohltätigkeitsorganisation WOSP forderte die polnische Regierung auf, die Absperrung aufzuheben, um den Flüchtlingen helfen zu können. „Die Krise an unserer Grenze zu Belarus ist die größte humanitäre Katastrophe in unserer unmittelbaren Umgebung, die ich je gesehen habe. Sie geht uns alle an“, sagte der Präsident Jurek Owsiak dem RND.

Tausende sitzen fest

Seit Monaten versuchen Menschen aus Staaten wie Afghanistan oder dem Irak, über Belarus in die EU zu gelangen. Ihre Zahl hat sich zuletzt deutlich erhöht. EU-Spitzenpolitiker werfen dem belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko vor, die Menschen mit Versprechungen einer leichten Einreise anzulocken und dann an die Grenze zu Polen, Litauen oder Lettland zu schleusen. Nach Medienberichten sitzen Tausende Flüchtlinge und Migranten im Grenzgebiet fest. (epd)