Jetzt muss sich die AfD kommunal beweisen

Der Erfolg der AfD bei der Europawahl erregt bei vielen, auch in den Kreisen der Kirche, Besorgnis: Die Partei wurde stärkste Kraft in Brandenburg und Sachsen. Kirchenvertreter und -vertreterinnen sind alarmiert. Wie geht man als Kirche mit diesem Ergebnis um? Wie gelingt der Spagat zwischen klarer Positionierung und Respekt vor der Entscheidung der Wählerinnen und Wähler?

Die AfD erhält die meisten Stimmen bei der Europawahl in Brandenburg und ist dort auch bei den Kommunalwahlen besonders stark. Die evangelische Kirche ist alarmiert.

Von Nora Tschepe-Wiesinger

Bei den Wahlen am vergangenen Sonntag konnte die Alternative für Deutschland vor allem in den neuen Bundesländern einen starken Zuwachs verzeichnen. Bei der Europawahl wurde die Partei stärkste Kraft in Brandenburg (19,9 Prozent) und Sachsen (25,3 Prozent). Bei den Kommunalwahlen, die ebenfalls in Brandenburg und Sachsen stattfanden, lag die AfD in Brandenburg auf dem dritten Platz (15,9 Prozent) hinter der CDU (18,3 Prozent) und der SPD (17,7 Prozent). Bischof Markus Dröge äußerte sich laut dem epd nach den Wahlen besorgt über die hohen Ergebnisse europakritischer Parteien. „Die Europäische Union hat uns 70 Jahre Frieden und Wohlstand geschenkt“, sagte Dröge. Die Politik sei nun herausgefordert, „noch viel stärker und besser die Errungenschaften und die gemeinsamen Werte des Weges der europäischen Gemeinschaft darzustellen und dafür zu werben, das europäische Projekt konstruktiv weiterzuentwickeln.“

Es wird spannend, wie sich die AfD in der Stadtverordnetenversammlung einbringtHerausgefordert sehen sich in Brandenburg auch die Kirchengemeinden von dem hohen Abschneiden der AfD. Dennoch müsse man die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler respektieren, sagt Ulrike Menzel, Superintendentin des Kirchenkreises Cottbus. In der Stadt Cottbus stimmten 22,3 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die AfD. Die Partei wurde damit stärkste Kraft vor der CDU (17,2 Prozent). Menzel sei gespannt darauf, wie die AfD in der Stadtverordnetenversammlung (SVV) nun realpolitisch aktiv werde. Mit elf statt bisher drei Stadtverordneten hat die AfD in der Cottbuser SVV von allen Fraktionen künftig die meisten Sitze inne. „Die AfD will Verantwortung übernehmen. Bisher hat sie das nicht gemacht“, äußerte sich Menzel am Montag nach der Wahl. Das hohe Abschneiden der AfD sei ein „Tiefschlag“ für die Stadt Cottbus, die mit Demonstrationen wie „Cottbus ist bunt“ in der Vergangenheit deutlich versucht habe, ein Zeichen für Weltoffenheit und gegen Fremdenfeindlichkeit zu setzen. Auch der Kirchenkreis Cottbus hatte sich an der Demonstration im Februar beteiligt. „Wenn die AfD bestimmte Menschen hier nicht haben will, widerspricht das meinem christlichen Menschenbild und dem Gedanken, dass jeder Mensch bei Gott willkommen ist“, sagte Ulrike Menzel.Ähnlich sieht es auch Reinhart Müller-Zetzsche, Superintendent in der Uckermark. In konkreten Fällen, etwa bei der Frage nach der Aufnahme von Geflüchteten oder dem Kohleausstieg, solle die Kirche sich klar positionieren und äußern. Im Gemeindekirchenrat der Kirchengemeinde Prenzlau etwa sei es „unstrittig“ gewesen, dass zwei geflüchteten Familien das Kirchenasyl gewährt wurde. Die Kirche solle aber keine Kampagne gegen die AfD oder ihre Wählerinnen und Wähler betreiben. „Unsere Rolle ist nicht die des politischen Akteurs, sondern die des Streitschlichters und Vermittlers“, sagt Müller-Zetzsche. Das politische Spektrum der Wählerinnen und Wähler würde sich auch in den Kirchengemeinden in der Uckermark widerspiegeln. Konkret heißt das: „Es gibt in unseren Kirchengemeinden auch Gemeindeglieder, die die AfD gewählt haben.“ Die Kirche müsse zwischen den unterschiedlichen Gemeindegliedern vermitteln, anstatt die Fronten noch mehr zu verhärten, indem sie eine bestimmte Wählergruppe anprangere.

Einerseits kein Wähler-Bashing, andererseits klare Position notwendigAuch Martin Vogel, Länderbeauftragter der EKBO, sagt, dass ein verallgemeinerndes „Wähler-Bashing“ nicht zielführend sei. Er betont aber, dass die Positionen der AfD und der EKBO weit auseinander gingen.Pfarrer Christian Moritz von der Kirchengemeinde Wriezen im Oderland ist hingegen der Meinung, dass sich die Kirche gegen den aufkommenden Rechtsruck klar positionieren muss. In Wriezen hat die AfD bei den Brandenburger Kommunalwahlen mit 27 Prozent noch mehr Stimmen erhalten als in Cottbus. Moritz berichtet von einem Bürgerforum der AfD, das er im Vorfeld der Kommunalwahlen als Gemeindepfarrer besucht habe. Die AfD habe versucht, Ängste unter den Wählerinnen und Wählern zu schüren und pauschalisierend Muslime und Juden für die „Missstände in Deutschland“ verantwortlich gemacht. Außerdem habe sie deutlich gemacht, nicht mit Pfarrer Moritz und der Kirchengemeinde reden zu wollen. „Ich versuche, meinen Gemeindegliedern zu sagen, dass sie sich von der AfD nicht verängstigen lassen sollen“, sagt Moritz. Im Gegensatz zum Gemeindekirchenrat in Prenzlau habe er für das letzte geplante Kirchenasyl keine Mehrheit im Gemeindekirchenrat erhalten. Moritz sagt aber auch, dass dies nicht unbedingt an einer fremdenfeindlichen Einstellung der Gemeindeglieder läge, sondern an einem generellen Mangel an Ehrenamtlichen in der sehr kleinen Gemeinde in Wriezen. Aber er ist überzeugt: „Gegen den Rechtsruck muss die Kirche gegenhalten.“