Im Ruhestand will er das Klima schützen

Er war Spitzenpolitiker in Berlin und arbeitet seit sechs Jahren als Gemeindepastor in der Uckermark. Jetzt hört Ulrich Kasparick auf – und plant für seinen Ruhestand schon ein Internet-Projekt.

Ulrich Kasparick in seinem Rosengarten
Ulrich Kasparick in seinem RosengartenNicole Kiesewetter

Hetzdorf. Vom Pfarrer zum Politiker  – schon das ist eine eher ungewöhnliche Karriere. Noch ungewöhnlicher aber ist, wozu Ulrich Kasparick sich nach zehn Jahren als Spitzenpolitiker in Berlin entschlossen hatte: Er ging zurück ins Pfarramt. Der politische Betrieb hatte ihn krank gemacht, er suchte eine neue, andere Herausforderung, „und da habe ich zum pommerschen Bischof Abromeit gesagt: Habt ihr nicht eine Pfarrstelle, die keiner will?“
Sechs Jahre lang war der ehemalige Staatssekretär im Verkehrsministerium Pastor in Hetzdorf, einem kleinen Dorf in der brandenburgischen Uckermark, das zur Nordkirche gehört. Doch nun, mit 60 Jahren, war zum Jahreswechsel Schluss. Seine Frau sei beruflich in Berlin gebunden, er mag nicht mehr pendeln, sagt er. „Außerdem hab ich noch so viele Pläne.“

Gottesdienste "radikal reduziert"

Pläne und Ideen hatte Kasparick auch schon im Gepäck, als er in die Uckermark „mit ihrer himmlischen Ruhe“ kam. „Ich bin da ganz planmäßig vorgegangen“, und dabei habe ihm seine Erfahrung aus Politiker-Zeiten geholfen: Situation analysieren, schauen, was geht und was aufgrund der demografischen Entwicklung nicht mehr geht. „Nur mit meiner theologischen Ausbildung wäre ich hier auf die Bretter gegangen.“
So hat Kasparick nicht nur die Anzahl der Gottesdienste „radikal reduziert“. „Wir müssen auch weg vom Sonntag  – das ist 19. Jahrhundert.“ Vielmehr müsse man die Anlässe wie beispielsweise Dorffeste nutzen. „Wenn wir als Kirche uns da beteiligen, erreichen wir doch auf einen Schlag mehr als bei allen Gottesdiensten im ganzen Monat.“
Das Ziel seiner Arbeit, formuliert er ganz klar, sei nicht die Kirchenmitgliedschaft: „Wer sich beteiligt, der gehört dazu.“ „Gedolmetschtes Evangelium“ nennt der wortgewandte ehemalige SPD-Politiker das. Eben wie bei seinem Rosengarten-Projekt. Mit Hilfe des Internets wollte er einen spirituellen Rosengarten hinter seinem Pfarrhaus entstehen lassen. Er sollte auch jene ansprechen, die sich keiner Religion zugehörig fühlen. „Die Leute dachten damals, jetzt kommt so ein Verrückter aus der Stadt und will mit dem Laptop den Garten umgraben.“

Der Frauenkreis und die Whatsapp-Gruppe

Drei Tage, nachdem er im Internet um Rosen-Spenden gebeten hatte, kam die erste per Post von einer Facebook-Freundin aus Finnland. Inzwischen sind über 300 Rosenstöcke aus dem In- und Ausland gepflanzt. Hunderte Menschen folgen Kasparicks Garten-Tagebuch im Internet, und rund 7600 Menschen haben den Garten seit 2012 besucht.
Überhaupt das Internet: Von Anfang an war es für ihn ein Mittel, um die Entfernungen in der 550-Seelengemeinde zu überbrücken. Zu Beginn seiner Amtszeit habe er dem Kirchengemeinderat gesagt, „Einladungen, Protokolle – das läuft jetzt alles digital.“ Vor sechs Jahren sei der Widerstand noch groß gewesen, die meisten hätten nicht einmal einen Computer gehabt, „jetzt verabredet sich der Frauenkreis in der Whatsapp-Gruppe“.
Doch das Internet scheint nicht nur für Hetzdorf die Zukunft zu sein, sondern auch für Ulrich Kasparick. „Online“ ist er sowieso irgendwie immer, auf Facebook erreicht man ihn vermutlich schneller als am Telefon. Doch künftig soll es noch um etwas anderes gehen. Der baldige Ruheständler hat die Website www.fuer-unsere-enkel.org ins Leben gerufen, bei der es um das Thema Klimawandel geht.

"Klima retten geht nicht"

„Unsere Kinder und Enkel brauchen unsere Unterstützung – der menschengemachte Klimawandel wird ihre Zukunft schwer beeinträchtigen, wenn wir nicht handeln.“ Die ökologische Lage der Welt sei katastrophal, sagt der dreifache Großvater und ist sich gleichzeitig bewusst: „Klima retten geht nicht – es kann nur darum gehen, die Folgen zu mindern.“
Kasparick will ein internationales Netzwerk von engagierten Menschen aufbauen und „eine Lobby schaffen, die koordiniert handelt“. Auf der gleichnamigen Internetseite finden sich Videos, Dokumente und Studien, die über die Gefahren des Klimawandels informieren. Jeder einzelne könne etwas beitragen, indem er seinen eigenen Umgang mit Ressourcen hinterfragt. Auch die Kirchen seien aufgerufen: Während viele von ihnen immer noch in fossile Energieträger investieren, gibt es bei einigen mittlerweile ein Umdenken.
„Divestment“ heißt es, wenn Geldgeber ihre Investitionen aus Unternehmen abziehen, die mit Kohle, Gas oder Öl Profite machen. „Da können Kirchen Gutes tun“, fordert Kasparick zum Handeln auf. Ein Gutmensch – nein, der sei er nicht, vielmehr ein Problemlöser.  „Ich kann die Welt nicht retten. Aber ich kann dazu beitragen, eine große Aufgabe kleiner zu machen.“