Gutachten: Abschwächung von Lieferkettengesetz wäre rechtswidrig

Das deutsche Lieferkettengesetz ist in Teilen der Wirtschaft unbeliebt. Nun will die Bundesregierung es so anpassen, dass es für weniger Unternehmen gilt. Befürworter des Gesetzes halten dies allerdings für rechtswidrig.

Die von der Bundesregierung geplante Abschwächung des deutschen Lieferkettengesetzes zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards könnte im Widerspruch zu EU-Recht stehen. Zu diesem Schluss kommt ein am Mittwoch in Berlin veröffentlichtes Rechtsgutachten im Auftrag der Organisationen Germanwatch und Oxfam Deutschland. “Die kürzlich beschlossene EU-Lieferkettenrichtlinie bestimmt, dass im Zuge ihrer Umsetzung in nationales Recht das im jeweiligen Land bereits bestehende Schutzniveau nicht abgesenkt werden darf”, erklärte die Autorin des Gutachtens, Anne-Christin Mittwoch von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Expertin für europäisches Wirtschaftsrecht.

Hintergrund ist die Wachstumsinitiative der Bundesregierung, auf die sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vergangene Woche verständigt hatten. Danach soll das EU-Lieferkettengesetz noch vor der Bundestagswahl 2025 so in Deutschland umgesetzt werden, dass künftig nur noch rund ein Drittel der bisher unter die Regeln des deutschen Lieferkettengesetzes fallenden Unternehmen betroffen wären. Dies wären laut Regierung weniger als 1.000 Unternehmen.

Das deutsche Lieferkettengesetz verpflichtet seit Anfang 2023 große deutsche Unternehmen, für die Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards auch in den Firmen zu sorgen, von denen sie Waren und Dienstleitungen beziehen. Seit diesem Jahr gilt das Gesetz auch für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigen.

Die Ampel-Koalition will das EU-Lieferkettengesetz nach eigenem Bekunden “so bürokratiearm wie möglich” umsetzen. Alle Pflichten wie die zivilrechtliche Haftung sollen erst zum spätesten europarechtlich vorgeschriebenen Zeitpunkt verbindlich werden. Die europäische Richtlinie soll schrittweise für mehr Unternehmen gelten, zunächst für sehr große und ab 2029 auch für solche mit mehr als 1.000 Beschäftigen und mindestens 450 Millionen Euro Umsatz. Die EU-Regelung ist in Teilen schärfer als das deutsche Lieferkettengesetz, bleibt in anderen Punkten aber dahinter zurück.