Grüne Damen und Herren: Zeit für Gespräche und für Trost

Die Grünen Damen und Herren bringen ehrenamtlich Menschlichkeit in den oftmals durchgetakteten Krankenhausalltag. Sie nehmen sich Zeit für Gespräche oder begleiten Patientinnen und Patienten.

Inge Voth im Gespräch mit einer Krankenhauspatientin. Sie nimmt sich Zeit, um zuzuhören und zu trösten
Inge Voth im Gespräch mit einer Krankenhauspatientin. Sie nimmt sich Zeit, um zuzuhören und zu tröstenClaudia Rometsch

Ein abweisendes Gesicht empfängt Inge Voth, als sie das Zimmer im Bonner Johanniter-Krankenhaus betritt. „Wer sind Sie denn?“, fragt die alte Dame, die angekleidet auf der Bettkante sitzt und am nächsten Tag am Auge operiert werden soll. „Grüne Damen und Herren?“ Davon hat die 92-Jährige noch nie etwas gehört.

Doch als Inge Voth sich freundlich erkundigt, wie es ihr gehe und ob sie Angehörige habe, taut die Patientin langsam auf. „Ich bin ganz alleine in der Welt“, vertraut sie der Grünen Dame an. „Es sind ja alle schon tot.“ Kurze Zeit später sitzt sie Inge Voth in der kleinen Sitzgruppe im Krankenzimmer gegenüber und erzählt von ihrem Leben als Musikerin. Es ist eine Situation, wie sie die Grünen Damen und Herren immer wieder erlebten, sagt Inge Berger, Leiterin der evangelischen Krankenhaushilfe am Johanniter-Krankenhaus.

Menschlichkeit im Krankenhausalltag

„Es braucht manchmal einen Türöffner und dann sprudelt es auf einmal aus den Menschen heraus“, weiß Berger aus Erfahrung. Wenn sich dann nach einem Gespräch eine Patientin oder ein Patient sichtbar entlastet fühle, ist das für sie der größte Dank. „Es tut gut, wenn man anderen Menschen etwas Gutes tun kann“, sagt die 65-Jährige, die im vierten Jahr ehrenamtlich als Grüne Dame arbeitet.

Die Grünen Damen und Herren übernehmen in Krankenhäusern und Altenhilfeeinrichtungen Aufgaben, für die dem Pflegepersonal die Zeit fehle, erklärt Karen Sommer-Loeffen, Referentin für Ehrenamt im Geschäftsfeld Krankenhaus und Gesundheit beim Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL). „Sie nehmen sich Zeit für Gespräche, trösten, begleiten Patientinnen und Patienten zu unangenehmen Untersuchungen, bringen Lesestoff oder machen auch einmal kleine Besorgungen.“

Großer Bedarf an neuen Engagierten nach der Pandemie

Gegründet wurde der ehrenamtliche Dienst 1969 von Brigitte Schröder, der Frau des damaligen Bundesverteidigungsministers Gerhard Schröder. Sie hatte in den USA die „Pink Ladies“ kennengelernt, die zum Vorbild der Grünen Damen in Deutschland wurden. Ihr Markenzeichen sind die grünen Kittel. „Sie bringen Zeit mit in den oft unter Zeitnot leidenden Klinikalltag“, sagt Sommer-Loeffen.

Aktuell gibt es bundesweit 475 Gruppen mit rund 5000 aktiven Grünen Damen und Herren. Allerdings hat ihre Zahl seit der Corona-Pandemie stark abgenommen. Vor der Pandemie waren noch 9000 Grüne Damen und Herren in den Krankenhäusern unterwegs. Im Rheinland und Westfalen gibt es derzeit insgesamt 126 Gruppen mit 1485 Aktiven.

Die Pandemie habe eine starke Umstrukturierung des Ehrenamtsdienstes in den Krankenhäusern und Altenhilfeeinrichtungen mit sich gebracht, da vor allem viele ältere Aktive aufgehört hätten, beobachtet Sommer-Loeffen. „Es besteht ein großer Bedarf an neuen Engagierten.“ Dennoch sei sie zuversichtlich, wieder mehr Menschen für dieses Ehrenamt gewinnen zu können. Ein Anzeichen dafür sei, dass die Basisqualifizierungskurse, die die Diakonie RWL für Grüne Damen und Herren anbietet, sehr gefragt sind. „Es ist ein attraktives Engagementfeld“, betont Sommer-Loeffen. „Man arbeitet im Team, kann durch Fortbildungen viel lernen und zudem Sinnstiftung erfahren.“

Sorgen und Ängste über Krankheit anvertrauen

Inge Berger kann das bestätigen. Ihr Ehrenamt bringe einen regen Austausch mit Menschen mit sich, sagt die Pensionärin. Durch ihre Arbeit und die Gespräche mit Patientinnen und Patienten bekomme sie viele positive Rückmeldungen. Da sei zum Beispiel die alte Dame auf der Palliativstation, bei der sie einfach nur am Bett gesessen und dagewesen sei, erinnert sich Berger. „Das tut gut“, habe diese ihr schließlich gesagt. Oftmals falle es Menschen auch leichter, einer Fremden die Sorgen und Ängste über ihre Krankheit anzuvertrauen, weiß Berger. „Viele wollen ihre Familienangehörigen nicht damit belasten.“

Auch als Teil des Krankenhaus-Betriebs fühlten sich die Grünen Damen und Herren wertgeschätzt. „Das Pflegepersonal ist froh, dass wir die Zeit zum Zuhören haben.“ Und nicht zuletzt schätzt Berger auch die Arbeit im Team und die Gespräche mit ihren insgesamt 30 Kolleginnen und Kollegen. Nach der Schicht essen die Grünen Damen und Herren häufig zusammen in der Krankenhaus-Cafeteria zu Mittag. „Das gibt dann die Gelegenheit zum Austausch.“ Daneben haben die ehrenamtlichen Helfer bei Bedarf auch die Möglichkeit der Supervision mit den evangelischen und katholischen Krankenhausseelsorgern.

Grüne Damen und Herren helfen auf vielfältige Weise im Krankenhaus, sagt Inge Berger. Manchmal rufen sie auch Angehörige an, wenn die Patientinnen oder Patienten das selbst nicht mehr schaffen
Grüne Damen und Herren helfen auf vielfältige Weise im Krankenhaus, sagt Inge Berger. Manchmal rufen sie auch Angehörige an, wenn die Patientinnen oder Patienten das selbst nicht mehr schaffenClaudia Rometsch

Neue Ehrenamtliche würden nicht ins kalte Wasser geworfen, betont Berger. Zunächst begleiteten sie erfahrene Grüne Damen und Herren. Dabei können sie auch unterschiedliche Bereiche des Krankenhauses und die verschiedenen Dienste der Grünen Damen und Herren kennenlernen. In der Regel kommen die Aktiven an einem Vormittag pro Woche für drei Stunden ins Haus und besuchen Kranke. Oder sie erledigen kleine Besorgungen, holen etwa eine Zeitung oder ein Getränk aus der Cafeteria. Manchmal sei es auch ein Anruf bei einem Angehörigen, wenn die Patientin oder der Patient das selbst nicht mehr schaffe, sagt Berger.

Grüne Damen und Herren kommen mit Büchern und Kaffee

Es gibt daneben auch spezielle Arbeitsbereiche für die Grünen Damen und Herren im Johanniter-Krankenhaus. So gehen etwa einige Grüne Damen und Herren regelmäßig mit einer Auswahl von Büchern auf die Stationen, um Patientinnen und Patienten mit Lesestoff zu versorgen. Andere bieten einen Bilderdienst an. Patientinnen und Patienten können sich aus einer Auswahl Bilder für ihr Zimmer aussuchen. Und in einigen Ambulanzen versorgen Grüne Damen und Herren Patienten oder Angehörige mit Kaffee oder Tee. Zudem betreuen die Grünen Damen und Herren einen Notwäscheschrank. Die Einsatzgebiete richten sich nach den Wünschen der Ehrenamtlichen, erklärt Berger.

Wenn Inge Voth mittags ihren Dienst im Krankenhaus beendet, hat sie oft bewegende und auch interessante Geschichten gehört. Manchmal erzählen ihr alte Menschen von ihren Kriegserlebnissen. Andere berichten aber auch Spannendes, zum Beispiel aus ihren ungewöhnlichen Berufen. „Mich macht die Arbeit hier froh und glücklich“, berichtet Voth. Und auch an diesem Tag geht sie wieder mit einem guten Gefühl nach Hause. Die zunächst abweisende Patientin, die auf ihre Augenoperation wartet, lacht schließlich mit ihr. „Ich freue mich, wenn Sie wiederkommen“, ruft sie der Grünen Dame hinterher.

Wer sich ehrenamtlich als Grüne Dame oder Grüner Herr engagieren möchte, bekommt Informationen bei: www.ekh-deutschland.de oder per E-Mail bei der Bundesvorsitzenden Elke Grothe-Kühn (grothekuehn@ekh-deutschland.de). In Westfalen: Annette Bogler (bogler@ekh-deutschland.de). Im Rheinland: Cornelia Gmeiner (gmeiner@ekh-deutschland.de).