Beratung und Supervision – hilfreiche Gespräche

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Wie kann man die Angebote von Beratung und Supervison unterscheiden? Vereinfacht gesagt bezieht sich das Konzept Supervision mehr auf Fragen des Berufslebens, das Konzept Beratung mehr auf Fragen des Privatlebens. Manchmal lassen sich diese Fragen allerdings nicht so scharf voneinander trennen. Ich möchte zwei Fälle – in anonymisierter Form – aus meiner Praxis vorstellen, die illustrieren können, wann eher Beratung und wann Supervision geeignet ist.

Fall 1: In unserer Beratungsstelle meldet sich eine Klientin an. Sie sei oft abends total kaputt, könne sich zu nichts mehr aufraffen, sei einfach nur noch genervt. Ihr Mann sei verständnisvoll und versuche, sie aufzumuntern, aber das ändere nichts. Ob sie wohl depressiv sein könnte? Wir überlegen gemeinsam, was die Gründe sein könnten. Die Klientin hat vor einem Jahr die Leitung einer evangelischen Kindertagesstätte übernommen. Nach der Freude und Elan des Anfangs spüre sie öfter  ihre Grenzen. Im Gespräch wird deutlich: Es geht gar nicht um ein Beratungsthema. Vermutlich ist die Ratsuchende auch nicht depressiv erkrankt, sondern belastet von den neuen beruflichen Herausforderungen. Für alle Fälle empfehle ich ihr eine ärztliche Abklärung. Dazu weise ich sie auf das Supervisionsangebot hin. Sie hatte auch schon daran gedacht, war sich aber unschlüssig, ob es das richtige wäre, sie hätte ja keine schlimmen Konflikte. Im Team liefe es sogar ganz gut. Nur sie selbst wisse oft nicht, wo ihr der Kopf stehe.
Diese Klientin hat sich dann, in Absprache mit ihrem Anstellungsträger, für insgesamt zehn Sitzungen Einzelsupervision entschieden. So konnte sie in Ruhe ihre neue Rolle als Leiterin überdenken, Aufgaben besprechen, überlegen, was sie selbst tun kann und was sie delegieren kann. Einiges klärte sich für sie. „Abends bin ich allerdings immer noch ziemlich kaputt. Aber ich bin zufrieden, weil ich gelernt habe, konzentriert zu arbeiten und das Wichtige vom weniger Wichtigen zu unterscheiden.“
Fall 2: Eine Presbyterin erzählt in der Beratung: In ihrem Presbyterium habe es wegen schwerwiegender Konflikte eine längere Supervision gegeben. Sie sei seit vielen Jahren ehrenamtlich in ihrer Kirchengemeinde engagiert. Das bedeute ihr sehr viel. Es mache sie zufrieden, etwas für andere Menschen zu tun. Gemeinde sei für sie halb Heimat und halb Familie. Der Streit und die vielen Probleme in ihrer Gemeinde  hatten ihr so zugesetzt, dass sie in einer Presbyteriumssitzung in Tränen ausgebrochen sei und sich kaum habe beruhigen können. Der anwesende Supervisor habe ihr dann unsere Beratungsstelle empfohlen. Die Ratsuchende macht nun einen verängstigten Eindruck. Was befürchtet sie denn?
Im folgenden Gespräch erfahre ich nach und nach: Die Presbyterin stammt aus einer Familie, in der sie geschlagen und vernachlässigt wurde. Die Gemeinde war seit der Jugendzeit wie der rettende Hafen für sie. „Und natürlich die Gemeinschaft und die Anerkennung, das kannte ich von zuhause her ja kaum!“ Gemeinde wurde zu einem festen Bestandteil ihres Lebens. Dort war sie im Gegenzug gern gesehen und geschätzt. Dann kamen Konflikte und Auseinandersetzungen im Presbyterium. Obwohl es überhaupt nicht um ihre Person ging, fühlte sie sich  persönlich betroffen und sogar persönlich angegriffen. „Wie früher fühlte ich mich angeklagt und ohnmächtig.“
Im Gespräch wurde die Unterscheidung zwischen „früher“ und „jetzt“ wichtig: Früher war die Presbyterin ein Kind, war dem Geschehen in der Familie ohnmächtig ausgeliefert. Sie hat dann für sich selbst gesorgt, indem sie sich von der Familie abgegrenzt und sich in der Gemeinde Sicherheit, Gemeinschaft und Wertschätzung gesucht hat. Jetzt ist sie eine gestandene Frau, allerdings nicht unverwundbar: Der andauernde Streit machte ihr schon etwas aus. Jetzt aber braucht sie sich nicht mehr abgewertet und ohnmächtig zu fühlen. Das wird ihr deutlich bewusst. „Aber ich weiß jetzt, dass sich nichts gegen mich persönlich richtet. Mittlerweile kann ich ganz gut argumentieren, da habe ich dazugelernt.“
Zwei ratsuchende Menschen, zwei  unterschiedliche Anliegen, zwei verschiedene Herangehensweisen: Einmal wird aus einem Beratungswunsch ein Supervisionsprozess. Im zweiten  Fallbeispiel erwächst aus einer laufenden Teamsupervision eine längere Einzelberatung.

Silke Hansel ist Pfarrerin, Ehe- und Lebensberaterin, Supervisorin, Dortmund. Falls Sie Fragen zu Supervision und/oder Beratung haben, helfen wir Ihnen gerne weiter: Burgunde.Materla@institut-afw.de.