Flasbarth: Klimakonferenzen haben ihre eigene Logik und Dynamik

Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth glaubt trotz des Nahost-Krieges und geopolitischer Verhärtungen an Fortschritte beim bevorstehenden Weltklimagipfel in den Vereinigten Arabischen Emiraten. „Die Klimakonferenzen haben ihre eigene Logik und Dynamik“, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). In fünf Wochen beginnt in den Vereinigten Arabischen Emiraten der Weltklimagipfel.

epd: Es sind jetzt nur noch wenige Wochen bis zur Klimakonferenz in Dubai. Wie sieht Ihr Terminkalender aus?

Flasbarth: Mich beschäftigen derzeit natürlich ganz besonders auch die leider viel zu zahlreichen Krisen, etwa die Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit in den palästinensischen Gebieten nach dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel. Doch im Grunde ist die Klimakonferenz fast überall, wo ich Gespräche führe, ein Thema.

epd: Wird sich der Nahost-Krieg auf die Klimaverhandlungen auswirken?

Flasbarth: Die Klimakonferenzen haben ihre eigene Logik und Dynamik. Natürlich finden sie immer vor aktuellen Hintergründen statt, aber das wird nicht das Entscheidende für Dubai sein. Wir haben auch trotz der geopolitischen Verhärtungen seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine letztes Jahr das neue weltweite Biodiversitäts-Rahmenwerk beschließen können – und in diesem Jahr das UN-Abkommen zum Schutz der Hohen See.

epd: Sie waren schon bei der ersten Weltklimakonferenz 1995 dabei. Wie haben sie das damals erlebt?

Flasbarth: Die allererste war in Berlin und ich war Präsident des Naturschutzbundes Nabu. Deutschland hatte damals kein Klimaziel – wie praktisch kein Staat. Die Leiterin der Klimakonferenz im Kongresszentrum ICC war Angela Merkel, damals Umweltministerin. Kanzler Helmut Kohl hat zur Eröffnung gesprochen und das deutsche Klimaschutzziel verkündet. Alle dachten, dass er 20 Prozent CO2-Reduktion bis 2005 im Vergleich zu 1990 ankündigt. Doch er hat eine Minderung von 25 Prozent zugesagt. Ich habe ihm dafür öffentlich applaudiert und später an dem Tag gefragt: Herr Bundeskanzler, wie kommt das denn jetzt? Er antwortete: Ich habe mit BASF gesprochen und BASF hat gesagt, wir schaffen 25 Prozent, und dann habe ich gedacht, wenn die das schaffen, dann schaffen das alle anderen auch.

epd: Kommt bei Ihnen manchmal noch der Nabu-Chef durch, wenn Sie international verhandeln, oder sind Sie ganz Staatssekretär?

Flasbarth: Das müssten eigentlich andere beurteilen. Ich kann da keine Brüche sehen, weil die Umweltverbände auf den internationalen Konferenzen immer schon ziemlich konstruktiv unterwegs waren – aber natürlich haut man manchmal auch mal drauf. Als Angela Merkel 1997 auf dem Weg nach Kyoto war, habe ich ihr hinterhergerufen, dass die Verhandlungen das Kerosin nicht wert sind, das sie verfliegt. Das war übrigens ein Fehler. Es war den Flug schon wert: Das Kyoto-Protokoll ist ja unterzeichnet worden, was ich damals nicht abgesehen hatte.

epd: Blicken wir auf die Klimakonferenz in Dubai in wenigen Wochen. Der im vergangenen Jahr beschlossene Fonds zur Finanzierung von Schäden und Verlusten soll konkretisiert werden. Worauf kommt es Ihnen an?

Flasbarth: Uns sind zwei Punkte besonders wichtig: Diejenigen, die in den Fonds einzahlen, müssen nach meiner Überzeugung all diejenigen sein, die auch zu dem desaströsen Zustand des Klimas beigetragen haben. China ist aktuell der größte Emittent weltweit. Das Zweite ist, wir wollen keine Gießkanne bei der Verwendung der Mittel: vor allem die vulnerablen Länder sollen die Unterstützung bekommen. Ganz klar gehören dazu die kleinen Inselstaaten und die am wenigsten entwickelten Staaten. Bei allen anderen Fragen findet man schon eine Lösung.

epd: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass es in Dubai einen großen Schritt nach vorn geht?

Flasbarth: Die Entscheidungen werden ja einstimmig getroffen. Und ich kann nur dazu raten, dass die klassischen Industrieländer wie wir einem solchen Fonds nur zustimmen, wenn alle, die das Problem verursacht haben, auch Teil der Lösung werden. Ich glaube, dass das gelingen kann. Alles, was China da an Ausflüchten leistet, hat argumentativ überhaupt keine Substanz.

epd: Wäre es möglich, dass es gar keinen Beschluss über die Ausgestaltung des Fonds gibt?

Flasbarth: Wenn nur ein Fonds ohne eine verbreiterte Einzahlerbasis erreichbar ist, wäre es ein schlechter Fonds. Und dann wäre ich dafür, dass man ihn so erst einmal nicht macht. Dann brauchen wir noch mehr Zeit, um zu diskutieren.

epd: Da wäre die Enttäuschung der Entwicklungsländer massiv.

Flasbarth: Ja, aber die Frage wäre dann auch: Warum müsste ein Land wie China sich nicht rechtfertigen dafür, falls es den Weg nicht mit einer eigenen Beteiligung freimachen würde?

epd: Heißt das auch, dass die Bundesregierung vor dem Gipfel in Dubai keine Ansage dazu machen wird, wie viel Geld sie in einen Fonds für Schäden und Verluste einzahlen würde?

Flasbarth: Es gibt Appelle, dass Staaten jetzt schon eine Zusage machen sollen. Da kann ich nur sagen, so naiv werden wir nicht sein. Wir wollen erst einmal sehen, wie das Konstrukt aussieht und wie die Regeln sind. Dann werden wir uns selbstverständlich auch beteiligen. Aber wir werden nicht zusagen, solange die Spielregeln nicht bekannt sind, unter denen der neue Fonds arbeitet. Denn wir wollen auch sicherstellen, dass Unterstützung hauptsächlich in den Ländern ankommt, wo sie am meisten gebraucht wird.

epd: Haben denn die Industrieländer ihre Hausaufgaben beim Klimaschutz gemacht?

Flasbarth: Wo die Industrieländer zuerst nicht geliefert haben, was sie versprochen hatten, ist bei der internationalen Klimafinanzierung. 2009 haben wir kollektiv zugesagt, 100 Milliarden US-Dollar ab 2020 jährlich zur Verfügung zu stellen. Das war 2020 nicht erreicht. Für dieses Jahr deuten die Prognosen darauf hin, dass wir die Summe erreichen. Doch wir sind drei Jahre zu spät. Die wichtigste Währung bei der internationalen Klimafinanzierung ist nicht Euro oder Dollar, sondern Glaubwürdigkeit. Und die Glaubwürdigkeit wurde dadurch beschädigt.

epd: Belastet das auch die Verhandlungen in Dubai?

Flasbarth: Nein, das glaube ich. Es ist schon richtig, uns in die Pflicht zu nehmen. Aber das kann keine Ausrede für andere sein, selber nichts zu tun.

epd: Anfang Oktober war die Wiederauffüllungskonferenz für den Grünen Klimafonds, wo weniger zugesagt wurde, als beim ersten Mal. Hatten Sie sich vor Dubai ein anderes Signal erhofft?

Flasbarth: Es wäre schön gewesen, wenn einige der Länder, die noch keine Ankündigung gemacht haben, da schon Zahlen geliefert hätten. Aber wir können von etlichen Ländern noch Zusagen erwarten. Die USA haben noch nichts zugesagt, obwohl sie sicher zahlen werden, ebenso wie Schweden und Italien. Ich habe auch den Kollegen von den Vereinigten Arabischen Emiraten gesagt, dass wir die starke Erwartung haben, dass der Gastgeber der nächsten Klimakonferenz, als reiches Land, auch einen Beitrag leistet.