Migration: EU einigt sich auf Asylreform

Das Asylsystem in der EU wird reformiert. EU-Staaten und Europaparlament verständigten sich final auf entsprechende Gesetzestexte mit dem Ziel, irreguläre Migration in die EU einzudämmen.

Ein zentrales Element der Reform ist, dass ankommende Asylbewerber mit geringer Bleibechance schneller und direkt von der EU-Außengrenze abgeschoben werden sollen
Ein zentrales Element der Reform ist, dass ankommende Asylbewerber mit geringer Bleibechance schneller und direkt von der EU-Außengrenze abgeschoben werden sollenImago / Pond5 Images

EU-Staaten, Parlament und Kommission haben nach einem Verhandlungsmarathon eine Einigung bei der europäischen Asylreform erreicht. Das teilten das EU-Parlament und der Rat der EU in Brüssel mit. Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) soll Migration in die EU begrenzen und steuern. Der Kompromiss gilt als politische Einigung. Rat und Parlament müssen diesem noch formal zustimmen.

„Die Bürger der EU verlangen von ihren Regierungen, mit der Herausforderung der Migration umzugehen, und der heutige Tag markiert einen großen Schritt in diese Richtung“, erklärte der spanische Innenminister Fernando Grande-Marlaska Gómez stellvertretend für die EU-Staaten. Spanien hält derzeit den Vorsitz im Rat der EU, dem Gremium der Mitgliedsstaaten.

Baerbock: „Jede Einigung in Brüssel ist auch immer ein Kompromiss“

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nannte die Einigung „längst überfällig“. Zugleich räumte sie ein, dass sich Deutschland in den abschließenden Verhandlungen bei pauschalen Ausnahmen von Kindern und Familien aus den Grenzverfahren nicht habe durchsetzen können. „Zur Wahrheit gehört: Jede Einigung in Brüssel ist auch immer ein Kompromiss“, sagte Baerbock in Berlin. Deutschland werde bei der Umsetzung des neuen Asylsystems darauf achten, „dass es fair, geordnet und solidarisch zugeht“.

Die Europaabgeordnete Cornelia Ernst (Linke) kritisierte den Kompromiss scharf. Die Einigung sei „die massivste Verschärfung des Europäischen Asyl- und Migrationsrecht seit Gründung der EU“ und ein „Kniefall vor den Rechtspopulisten in der EU“, erklärte sie. Das individuelle Recht auf Asyl sei de facto tot. In wesentlichen Punkten habe das Parlament den Mitgliedsstaaten nachgegeben.

Direkte Abschiebung, wenn keine Aussicht auf Asyl besteht

Ein zentrales Element der Reform ist, dass ankommende Asylbewerber mit geringer Bleibechance schneller und direkt von der EU-Außengrenze abgeschoben werden sollen. Dahinter stehen die sogenannten Grenzverfahren. Haben Menschen eine Staatsangehörigkeit, deren Anerkennungsquote für Asyl bei unter 20 Prozent liegt, sollen sie an der Grenze festgehalten werden. Ihr Anspruch auf Asyl soll dann direkt vor Ort und innerhalb von zwölf Wochen in einem Schnellverfahren geprüft werden. Wer keine Aussicht auf Asyl hat, soll direkt abgeschoben werden. „Künftig werden Asylsuchende an der Grenze inhaftiert, auch bei Familien mit Kindern aller Altersstufen soll das möglich sein“, erläuterte Ernst.

Ein weiterer Baustein ist die Krisenverordnung. Sie regelt, wie EU-Staaten bei einem besonders starken Anstieg der Migration verfahren können. Ankommende dürfen dann zum Beispiel länger unter haftähnlichen Bedingungen an der Grenze festgehalten werden. Deutschland hatte das aufgrund humanitärer Bedenken lange abgelehnt. Die Regelung sei „ein Blankoscheck für die Aussetzung praktisch aller Rechte Schutzsuchender und ein Freibrief für Pushbacks“, kritisierte Ernst.

Caritas-Verband: Reform bietet keine Lösung der Asylproblematik

An dem Grundsatz, dass der EU-Staat für einen Asylbewerber zuständig ist, in dem dieser angekommen ist (Dublin-Regeln), ändert die Reform nichts. Ein Solidaritätsmechanismus soll überlasteten Staaten an der Außengrenze derweil mit Aufnahmeprogrammen oder Ausgleichszahlungen helfen. Laut Ernst können diese Zahlungen aber auch Projekte in Drittstaaten finanzieren oder Mittel zur Grenzüberwachung, wie Stacheldraht innerhalb der EU bereitstellen.

Auch Nichtregierungsorganisationen sehen die EU-Asylreform kritisch. So erklärte etwa der europäische Caritas-Verband, die Reform werde die Asylproblematik in der EU nicht lösen, aber den Zugang zu Asyl und die Rechte der Schutzsuchenden einschränken. „Wir sind besorgt über die dramatischen Auswirkungen, die der Pakt auf Schutzsuchende in Europa haben könnte“, erklärte die Generalsekretärin von Caritas Europa, Maria Nyman. In den Staaten an der Außengrenze würden absehbar Inhaftierungen unter schlechten Aufnahmebedingungen zum Alltag werden.