EU-Asylrecht: Migrationsexperte sieht Umverteilung von Menschen kritisch

Kernelement der geplanten EU-Asylreform ist der Solidaritätsmechanismus, der Migranten und Geflüchtete auf EU-Staaten verteilt. Für den Rechtsexperten de Bruycker ist diese Methode kein Erfolgsmodell.

Länder an der EU-Außengrenze werden laut Migrationsexperten de Bruycker auch weiterhin die Hauptlast tragen (Symbolbild)
Länder an der EU-Außengrenze werden laut Migrationsexperten de Bruycker auch weiterhin die Hauptlast tragen (Symbolbild)Imago / IlluPics

Der Streit über die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU wird nach Einschätzung des Rechtswissenschaftlers Philippe de Bruycker trotz der geplanten Asylreform andauern. Die Länder an der Außengrenze würden weiterhin die Hauptlast tragen, sagte de Bruycker dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Das Dublin-Verfahren, also die Regeln, die festlegen, dass der Staat verantwortlich für einen Asylantrag ist, in dem ein Schutzsuchender ankommt, bleibt trotz Reform absolut gleich.“

EU-Aslyreform ist eine Kompromisslösung

Nach jahrelangen Verhandlungen hatten sich die EU-Staaten Anfang Juni auf einen Kompromiss für eine EU-Asylreform geeinigt. Nun müssen sich die Mitgliedstaaten mit dem EU-Parlament und der Kommission auf die endgültigen Texte für eine Vielzahl von Gesetzesvorhaben einigen. Ab September gehen die Verhandlungen im Dreierformat von EU-Kommission, Parlament und den im Rat vertretenen Mitgliedsstaaten weiter.

Dass das Vorhaben noch vor der Europawahl im kommenden Juni 2024 verabschiedet wird, hält de Bruycker für wahrscheinlich. Schließlich habe sich die EU bereits auf den schwierigsten Teil des Pakets geeinigt, den Solidaritätsmechanismus, sagte der Professor für europäisches Migrationsrecht an der Freien Universität Brüssel. Damit sollen zunächst 30.000 Migranten und Flüchtlinge pro Jahr innerhalb der EU umverteilt werden. Schließlich soll die Zahl auf jährlich 120.000 Plätze steigen.

De Bruycker: „Erfahrung mit Umverteilung ist nicht gut“

Zur Umsetzung äußerte sich der Migrationsexperte allerdings skeptisch. „Unsere Erfahrung mit Umverteilung ist nicht gut“, sagte de Bruycker. „Nur weil die EU-Staaten die Verteilung über das Dublin-Verfahren grundsätzlich beibehalten und dies ein unsolidarisches System ist, muss man eine ausgleichende Regelung zur Solidarität finden.“ Bereits im Juni 2022 hatten sich 21 EU-Staaten auf einen temporären Solidaritätsmechanismus geeinigt.

Dieser sollte vor allem Italien entlasten. 8.000 Schutzsuchende sollten demnach auf andere EU-Staaten umverteilt werden. Allein Deutschland und Frankreich wollten je 3.500 Menschen aufnehmen. Auf Anfrage teilte die EU-Kommission dem epd mit, bisher seien 2.503 Menschen aufgenommen worden, die meisten davon in Deutschland und Frankreich. Nach 14 Monaten sind das 31 Prozent des vereinbarten Kontingents. Gemessen an den Asylanträgen, tragen nicht die Staaten an der Außengrenze die Hauptlast. Die meisten Asylanträge in der EU werden in Deutschland und Frankreich gestellt. Das liegt an der Sekundärmigration.

Problem der Sekundärmigration bleibt

Auch die Dublin-Regeln seien in den vergangenen Jahren nicht richtig angewendet worden, erklärte Migrationsexperte de Bruycker, sodass viele Flüchtlinge und Migranten weitergereist seien. Die Idee der Asylreform sei nun, dass die Staaten eine gewisse Zahl von Schutzsuchenden an der Grenze inhaftieren und ein Teil der Asylverfahren dort stattfindet. Er sei aber „nicht sehr optimistisch“, dass die sogenannte Sekundärmigration damit abnehme, sagte de Bruycker. Die Pläne würden neben dem Willen der Staaten an der Außengrenze auch auf Infrastruktur und Personal aufbauen, das es noch nicht gebe.