Ein Schrei nach Heilung

Die Krisenerfahrung der Pandemie lege sich wie ein Trauma auf die Seele, sagt der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm in der Berliner Gedächtniskirche. Besonders Kinder würden für die Verarbeitung Zeit brauchen.

Heinrich Bedford-Strohm mahnte, dass die Verarbeitung der Krise noch Zeit brauchen werde
Heinrich Bedford-Strohm mahnte, dass die Verarbeitung der Krise noch Zeit brauchen werdeGordon Welters / KNA

Berlin. Die christlichen Kirchen haben in Berlin mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche der Toten in der Corona-Pandemie gedacht. „Krankheit, Sterben und Tod lassen sich in diesem langen Jahr nicht wegdrücken, sie schneiden tief ein in das Leben vieler Menschen“, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, in seiner Predigt. „Tod und Sterben sind uns näher gerückt als zuvor.“ Auch ihr Bild habe sich verändert.

Es fehle so viel, sagte Bätzing weiter: Besuche im Krankenhaus, letzte Aussprachen, Trost in der Angst, die vertraute Hand, das Verweilen mit den Verstorbenen, letzte Worte, die Liebe, Schmerz, Trauer und Verzeihen ausdrücken. „Sterben an einer ansteckenden Krankheit lässt das alles nicht zu – nicht einmal ein Begräbnis, an dem viele teilnehmen, diesen Menschen würdigen und den Angehörigen beistehen.“ Verpasste Augenblicke seien verpasste Chancen. „Sie sind einmalig, da gibt es kein zweites Mal“, sagte der Bischof. „Was hier alles fehlt, was einem an Nähe und Zuneigung geraubt wird durch die Pandemie, das verwundet die Seele.“

Trauma auf der Seele

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sagte in seiner Predigt, in Zeiten der Trauer sei es umso wichtiger, nicht allein zu sein. Die Krisenerfahrung der Pandemie lege sich wie ein Trauma auf die Seele und schreie nach Heilung. „Für die Verarbeitung werden wir viel Zeit brauchen, erst recht unsere Kinder, unsere Heranwachsenden, für die diese Krise die Ausdehnung einer gefühlten Ewigkeit hat.“ In der Gemeinschaft der Trauernden liege eine Kraft als Nähe, Trost und Hoffnung.

Gordon Welters / KNA

Bätzing und Bedford-Strohm gingen in ihren Predigten auf die biblische Geschichte vom Weg der trauernden Jünger Jesu nach Emmaus ein. Diese mache Mut. Anhand der Geschichte sollte der Gottesdienst Gelegenheit zur Besinnung und zum Abschiednehmen geben und in der Hoffnung bestärken.

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, Erzpriester Radu Constantin Miron, sagte, das Coronavirus mache weder vor Konfessionen noch vor Religionen noch vor Nationen halt. „Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir heute mit diesem Gottesdienst gemeinsam trauern, aber auch ein Zeichen des Trostes setzen – über Grenzen hinweg, die auch das Virus nicht kennt.“

Unsichtbares Leiden

Dem Gottesdienste folgte eine Gedenkfeier für die Opfer der Pandemie. Dort forderte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Bürger zur Anteilnahme auf. „Wir wollen und wir müssen der Menschen gedenken, die seit dem Beginn der Pandemie gestorben sind“, sagte Steinmeier laut Redemanuskript im Gedenkakt im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Sie seien „in dieser dunklen Zeit einen einsamen und oft qualvollen Tod gestorben“, sagte er. Ihr Leiden sei in der Öffentlichkeit oft unsichtbar geblieben. „Eine Gesellschaft, die dieses Leid verdrängt, wird als ganze Schaden nehmen“, mahnte Steinmeier.

Steinmeier ging in seiner Rede auch auf das Schicksal derjenigen ein, die nicht an Covid-19 und dennoch einsam sterben mussten, auf die Einsamkeit im Lockdown und die Entbehrungen insbesondere von Kindern und Jugendlichen. „Wir haben unser Leben einschränken müssen, um Leben zu retten. Das ist ein Konflikt, aus dem es keinen widerspruchsfreien Ausweg gibt“, sagte er.

Gemeinsamer Blick auf Tragödie

Das Land sei wundgerieben im Streit um den richtigen Weg, sagte er. Auch deshalb brauche man „einen Moments des Innehaltens, einen Moment jenseits der Tagespolitik, einen Moment, der uns gemeinsam einen Blick auf die menschliche Tragödie der Pandemie erlaubt“. (KNA/epd)