Der Kirchentag schweigt für die Opfer im Mittelmeer

Mit einer Schweigeminute erinnern die Teilnehmer des Kirchentags an den Tod Tausender Menschen auf der Flucht nach Europa erinnert. Überschattet wird das Christentreffen von einem Anschlag auf Kopten in Ägypten.

Um 12 Uhr legten die Teilnehmer des Kirchentags eine Schweigeminute ein
Um 12 Uhr legten die Teilnehmer des Kirchentags eine Schweigeminute einRalf Maro / epd

Überschattet wurde der Kirchentag von einem Angriff auf koptische Christen in Ägypten. Dabei wurden laut Medienberichten mindestens 26 Menschen getötet und 25 weitere verletzt. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes verurteilte den Anschlag. Während sich in Berlin Zehntausende Christen friedlich beim Kirchentag versammelten, würden in Ägypten koptische Christen getötet, sagte er und sprach den Opfern sein Mitgefühl aus.

"Rückfall ins Mittelalter"

Der Generalsekretär der Türkisch-Islamischen Union (Ditib), Bekir Alboga, äußerte sich am Rand des Kirchentags bestürzt über den Anschlag. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) unterbrach wegen der Meldung ein Gespräch mit dem ägyptischen Geistlichen Scheich Ahmad Mohammad al-Tayyeb bei dem Protestantentreffen. Al-Tayyeb, eine der höchsten Autoritäten des weltweiten sunnitischen Islams, sprach den Opfern sein Beileid aus. Zuvor warnte der Scheich vor einer Spirale des fundamentalistischen Terrors und einem drohenden "Rückfall ins Mittelalter".
Im Mittelpunkt des Christentreffens stand außerdem ein Auftritt von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, der vor einem Vertrauensverlust in die Demokratie durch Populismus warnte. Der SPD-Chef sagte, unrealistische Politikversprechen, einfache Lösungen für komplexe Probleme und populistische Kampagnen, die auch vor Lügen und Falschinformationen nicht zurückschrecken, führten zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung. "Diese Entwicklung ist brandgefährlich", betonte er auf einer Podiumsveranstaltung.

Aktivisten unterbrechen Gottesdienst

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) legte ein klares Bekenntnis zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr ab. In einem von Friedensaktivisten mehrfach unterbrochenen Bittgottesdienst mit dem evangelischen Militärbischof Sigurd Rink sagte von der Leyen, sie sei sich bewusst, dass durch Militäreinsätze allein kein Frieden geschaffen werden könne: "Aber wir können uns durch Handeln ebenso schuldig machen wie durch Nicht-Handeln."
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach sich für mehr Bemühungen zur weltweiten Abrüstung aus. "Das, was die Friedensbewegung in den 70er und 80er Jahren erreicht hat, ist in Gefahr", sagte er. Der Außenminister beklagte, vor allem die USA und Russland rüsteten derzeit massiv auf. Scharfe Kritik äußerte er auch an US-Präsident Donald Trump und dessen Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien.

Leyendecker wird Kirchentag-Präsident

Der Journalist Hans Leyendecker wird Präsident des evangelischen Kirchentages, der in zwei Jahren in Dortmund stattfindet. Zu der Stadt hat der 68-Jährige eine Herzensbeziehung: Er ist Fan des Fußballvereins Borussia Dortmund. Im August 2016 hielt Leyendecker eine Predigt in einem ökumenischen BVB-Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche in Dortmund. Er ist verheiratet und hat fünf Kinder. "Ich bin der Kirchentagsbewegung seit langer Zeit verbunden", sagte Leyendecker.
Leyendecker hat sich als Investigativjournalist einen Namen gemacht: Bekannt wurde er 1982 mit einer Titelgeschichte beim "Spiegel" über Schmiergeldzahlungen des Flick-Konzerns an deutsche Politiker. 1997 wechselte er zur "Süddeutschen Zeitung" (SZ) nach München. 2009 übernahm er die Leitung des neu geschaffenen Ressorts für Investigative Recherche bei der SZ. Leyendeckers Enthüllungen ab Ende 1999 zur illegalen Spendenpraxis der CDU leiteten einen personellen und inhaltlichen Neuanfang der Partei ein. (epd)Berlin. Flüchtlinge, Terror, Rüstungspolitik: Die großen Themen der Zeit haben am Freitag den Kirchentag in Berlin bestimmt. Ein Bündnis aus kirchlichen und nichtkirchlichen Organisationen erinnerte an den Tod von mehr als 10.000 Menschen, die seit 2014 auf ihrer Flucht nach Europa im Mittelmeer ums Leben kamen. Für eine Schweigeminute um 12 Uhr wurde das gesamte Kirchentagsprogramm unterbrochen.
Auf einer Gedenkveranstaltung am Berliner Hauptbahnhof wurde mit Musik, Berichten von Flüchtlingen und Seenotrettern der Toten gedacht und Fürbitte gehalten. Die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan als Schirmherrin der Kampagne "’#Fluchtgedenken" kritisierte die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung scharf. Den Tod Tausender Menschen auf dem Mittelmeer in Kauf zu nehmen, sei unverantwortlich. "Was Politik macht, ist die Abschottung Europas. Sie kann nicht gelingen", sagte Schwan.