Debatte über Abtreibung und Leihmutterschaft nimmt Fahrt auf

Eine Expertenkommission macht Druck. Sie empfiehlt der Bundesregierung liberalere Regelungen bei Abtreibung, Eizellspende und Leihmutterschaft. Will die Regierung das umsetzen? Und hat sie noch die Kraft dazu?

Eine von der Bundesregierung eingesetzte „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ hat am Montag Vorschläge für eine Reform der Abtreibung, der Eizellspende und der Leihmutterschaft vorgelegt. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) fasst die Vorschläge zusammen.

Vor rund einem Jahr hatte die Regierung 18 Sachverständige aus Medizin und Wissenschaft benannt, um die Frage zu beantworten, ob der Schwangerschaftsabbruch auch außerhalb des Strafrechts geregelt werden könnte. Zugleich sollte die Kommission aus 15 Frauen und drei Männern aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Ethik, Soziologie, Ethik und Recht ausloten, ob die Leihmutterschaft und die Eizellspende in Deutschland zugelassen werden sollten. Dazu wurden zwei Arbeitsgruppen innerhalb der Kommission gebildet. Schon seit Beginn hat es Kritik an der Zusammensetzung der Kommission gegeben, insbesondere aus der Union. Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär erklärte, die Kommission sei von der Ampelkoalition sehr einseitig besetzt worden. Sie habe letztlich das geliefert, was von der Regierung bestellt worden sei.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich mehrfach in den vergangenen Jahrzehnten mit der Abwägung zwischen dem Schutz des ungeborenen Lebens und dem Selbstbestimmungsrecht der Mütter auseinandergesetzt. Eine Abtreibung ist nach geltendem Recht in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig. Sie bleibt jedoch straffrei, wenn sie in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird. Zudem muss die schwangere Frau sich zuvor beraten lassen; zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen. Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist ein Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.

Sie empfiehlt eine Entkriminalisierung der Abtreibung in der Frühphase einer Schwangerschaft. Eine grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs in den ersten zwölf Wochen sei nicht haltbar.

Die Kommission unterteilt die Schwangerschaft in drei Phasen: Demnach empfiehlt das Gremium, eine Abtreibung in den ersten 12 Wochen in jedem Fall straffrei zu stellen und als rechtmäßig zu kennzeichnen. Es obliege dem Gesetzgeber, das mit einer Beratungspflicht zu verbinden. In der mittleren Phase, bis zur 22. Woche, könne der Gesetzgeber entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Abbruch straffrei sein solle. Ab der 22. Woche sei der Abbruch rechtswidrig. Bei medizinischer oder kriminologischer Indikation müsse es zudem weiterhin Ausnahmen geben, auch in späteren Phasen der Schwangerschaft.

Sie hat eher zurückhaltend reagiert. Eine Regierungssprecherin erklärte in der vergangenen Woche, Kanzler Olaf Scholz (SPD) sei sehr daran interessiert, das Thema mit der notwendigen Sensibilität zu behandeln. Dahinter verbirgt sich möglicherweise die Sorge, dass ein neuer Streit um die Abtreibung die Gesellschaft weiter polarisieren könnte. Zudem gibt es unzählige andere Baustellen in der Koalition. Und die Zeit rinnt davon. Bislang hat die Bundesregierung bereits das sogenannte Werbeverbot für Abtreibungen gestrichen. Derzeit wird im Bundestag zudem über ein Gesetz gegen Gehsteigbelästigung beraten. Es soll aggressive Protestaktionen von Abtreibungsgegnern vor Beratungsstellen und Arztpraxen als Ordnungswidrigkeit ahnden.

Katholische und evangelische Kirchen haben sich unterschiedlich positioniert. Die katholischen Bischöfe und die Caritas wenden sich unter Verweis auf das ungeteilte Lebensrecht des ungeborenen Kindes gegen eine Liberalisierung der Abtreibungs-Regelung. Sie warnen zudem vor einem neuen gesellschaftlichen Großkonflikt: Der Paragraf 218 im Strafgesetzbuch habe als Kompromiss eine Befriedung gebracht. Die evangelische Kirche erklärte demgegenüber, sie könne sich eine Regelung außerhalb des Strafrechts vorstellen; denkbar sei eine Stufenregelung je nach Dauer der Schwangerschaft.

Unter einer Eizellspende versteht man ein reproduktionsmedizinisches Verfahren zur Erfüllung des Kinderwunsches bei ungewollter Kinderlosigkeit. Dabei werden einer Spenderin Eizellen entnommen, die dann außerhalb des Körpers im Reagenzglas befruchtet und einer anderen Frau eingepflanzt werden. Nach dem Embryonenschutzgesetz ist in Deutschland die Eizellspende – anders als die Samenspende – seit 1990 verboten. Damit soll das Kindeswohl geschützt und eine gespaltene Mutterschaft verhindert werden. Neben Deutschland hat nur Luxemburg in der EU ein solches Verbot. Das führt offenbar dazu, dass sich betroffene Paare Hilfe im Ausland suchen. Geschätzt wird, dass etwa 1.000 bis 3.000 Frauen pro Jahr dazu ins Ausland ausweichen.

Sie plädiert dafür, die Eizellspende zu erlauben, sofern es eine gesetzliche Grundlage gibt, die den Schutz der Spenderinnen und das Kindeswohl gewährleistet. Wichtig sei, so wie bei der Samenspende auch, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft zu sichern. Die Kommission verweist auf Studien, nach denen die Sorge vor einer „gespaltenen Mutterschaft“ unberechtigt ist.

Die Kommission hält ein Verbot weiterhin für nachvollziehbar, weil sie die Rechte von Frauen und Kindern bedroht sieht. Kritiker wie die Kirchen befürchten, Kinder würden im Rahmen der Leihmutterschaft zum Objekt eines Rechtsgeschäfts und von Marktlogik. Mit Blick auf die Frauen wird die Gefahr der Ausbeutung formuliert. Dennoch hält die Kommission auch eine Legalisierung der uneigennützigen Leihmutterschaft unter engen rechtlichen Voraussetzungen möglich. Besonders wichtig ist es nach Angaben der zuständigen Arbeitsgruppe, dass eine Ausbeutung der Leihmutter rechtlich verhindert werde. Auch die Vermittlung der Leihmütter müsse uneigennützig und daher nicht-kommerziell organisiert werden. Voraussetzung sei, dass Eltern und Leihmutter sich zum Beispiel durch ein familiäres Verhältnis kennen oder eine Vereinbarung treffen, dass eine Beziehung zwischen beiden Parteien noch über die Geburt hinaus bestehe. Zudem solle eine Leihmutter eine „angemessene Aufwandsentschädigung“ erhalten können.