Bundeskabinett gibt grünes Licht für Anti-Missbrauchsgesetz

Mit einem neuen Gesetz sollen Kinder und Jugendliche besser vor sexuellem Missbrauch geschützt werden. Der Entwurf sieht vor, die Aufarbeitung vergangener Missbrauchsfälle zu erleichtern.

Ein neues Gesetz soll Kinder und Jugendliche besser vor sexuellem Missbrauch schützen
Ein neues Gesetz soll Kinder und Jugendliche besser vor sexuellem Missbrauch schützenImago / Kirchner-Media

Das Bundeskabinett hat in Berlin das lange erwartete Gesetz zum Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt auf den Weg gebracht. „Zu viele Kinder und Jugendliche mussten Erfahrungen mit sexueller Gewalt durchmachen – im familiären Bereich, im sozialen Umfeld oder im digitalen Raum“, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) nach der Kabinettssitzung. Durchschnittlich seien es im vergangenen Jahr 50 Jungen und Mädchen pro Tag gewesen.

Zentraler Kern des Gesetzentwurfs ist die gesetzliche Verankerung des Amtes der unabhängigen Missbrauchsbeauftragten (UBSKM), Kerstin Claus. Die oder der Beauftragte soll künftig vom Bundestag gewählt werden und dem Parlament sowie dem Bundesrat und der Regierung regelmäßig Bericht erstatten, um den staatlichen Schutz für Kinder und Jugendliche und die Aufarbeitung vergangener Missbrauchsfälle zu verbessern. Die Daten soll ein neues Forschungszentrum zu sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen liefern. Es ist laut Claus wichtig, das Dunkelfeld – die Zahl der nicht polizeilich bekannten Fälle – bei sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen zu ermitteln und diese als „Richtschnur“ für politisches Handeln zu verwenden.

Die Journalistin Kerstin Claus ist seit 2022 die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs
Die Journalistin Kerstin Claus ist seit 2022 die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen KindesmissbrauchsImago / IPON

„Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“

Die sexualisierten Gewalttaten gegen Kinder und Jugendliche gehen seit Jahren nicht zurück. Polizeilich bekannt wurden 16.375 Fälle im vergangenen Jahr. Insgesamt verzeichnet die Polizeiliche Kriminalstatistik für das vergangene Jahr 18.497 Opfer. 2.206 Kinder waren jünger als sechs Jahre.

Mit dem „Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ sollen außerdem Betroffene in ihren Rechten gestärkt werden. Geplant ist ein Netz von Beratungsstellen, die ihnen bei der Aufarbeitung ihrer Erfahrungen zur Seite stehen. Jugendämter und -einrichtungen müssen dazu Akteneinsicht gewähren.

Betroffenenrat: Akteneinsichtsrecht für die Betroffenen zu eng gefasst

Auch der Betroffenenrat, der die Arbeit der Missbrauchsbeauftragten begleitet, und die unabhängige Aufarbeitungskommission werden gesetzlich abgesichert. Die Kommission begrüßte den Entwurf als „Meilenstein“ für die Missbrauchs-Aufarbeitung, kritisierte aber, das Akteneinsichtsrecht für die Betroffenen sei zu eng gefasst. Es müsse auch andere Bereiche wie Schule, Sport und Kirchen einbeziehen. Keine Institution dürfe sich der Aufarbeitung verweigern.

Betroffenen-Verbände halten die Finanzierung des oder der Beauftragten und ihres Amtes nicht für ausreichend. Auch der Innenpolitiker und religionspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci, mahnte mit Blick auf die laufenden Haushaltsverhandlungen in Richtung des FDP-geführten Finanzministeriums: “Es darf nicht sein, dass der Schutz Betroffener und die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt an finanziellen Hürden scheitern.”

Laut Familienministerin Paus sind aktuell knapp zwölf Millionen Euro jährlich für das Amt der Missbrauchsbeauftragten vorgesehen. Zusätzliche 2,5 Millionen Euro sollen für den Aufbau des Beratungsnetzes für Betroffene und knapp zwei Millionen für das Forschungszentrum aufgewendet werden. Details zur Finanzierung wollte Paus mit Verweis auf die laufenden Haushaltsverhandlungen nicht nennen. Mit dem Gesetz wird ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP umgesetzt. Es soll Anfang 2025 in Kraft treten.