Betroffene kritisiert früheren EKD-Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm

Betroffene von sexualisierter Gewalt haben dem früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, Tatenlosigkeit vorgeworfen. Das Thema „Sexualisierte Gewalt in Kirchen“ hätte seit mindestens 2010 bekannt sein können, sagte die Bremer Lehrerin Katharina Kracht am Donnerstag in Hannover bei der Vorstellung der ForuM-Studie über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie. Der frühere bayerische Landesbischof habe zum Ende seiner EKD-Amtszeit gesagt, dass er sich gewünscht hätte, dass das Thema in der EKD sichtbarer geworden wäre.

„Für mich ist das ganz typisch: Da stellt sich jemand hin, der sieben Jahre lang in dieser Zeit nach 2010 Ratsvorsitzender war und sagt, “ich hätte mir das gewünscht“, kritisierte Kracht, die dem früheren Betroffenenbeirat der EKD angehörte und Mitglied im Beirat ForuM-Studie war. Sie habe daher keine Wünsche mehr an die evangelische Kirche, sondern nur noch an staatliche Behörden. Vor allem die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) der Bundesregierung müsse gestärkt werden. Kracht war in den 1980er-Jahren als Jugendliche von einem evangelischen Pfarrer missbraucht worden.

Bedford-Strohm war von 2014 bis 2021 EKD-Ratsvorsitzender und von 2011 bis 2023 bayerischer Landesbischof. Dem Evangelischen Pressedienst (epd) etwa hatte er wenige Wochen vor Ende seiner Amtszeit als Ratsvorsitzender im Herbst 2021 gesagt, dass die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen extrem schwer sei. „Auf jeden Fall habe ich das Gefühl, wir haben es nicht immer richtig gemacht.“ 2010 waren die ersten Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg bekannt geworden. Daraus entwickelte sich der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche, der später auch die evangelische erfasste.

Das von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragte unabhängige Forscherteam hatte am Donnerstag in Hannover die Ergebnisse der mehrjährigen ForuM-Studie vorgestellt. Darin ist von bundesweit mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern in Kirche und Diakonie die Rede. Laut Studienmacher ist das aber nur die „Spitze des Eisbergs“. Die Studie bescheinigt der evangelischen Kirche zudem einen mangelhaften Umgang mit Betroffenen in der Vergangenheit. In der föderalen Verfasstheit in 20 Landeskirchen sehen die Forscher zudem ein Hindernis für die Aufarbeitung. (01/0304/25.01.2024)