Amnesty-Report: 2022 war Jahr der Flucht

Krisen, Hunger, Unterdrückung: Das Jahr 2022 war laut Amnesty International ein Jahr zunehmender Fluchtbewegungen, aber auch ein Jahr weltweiter Massenproteste.

Doppelte Standards bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Europa kritisiert Amnesty
Doppelte Standards bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Europa kritisiert AmnestyImago / Joker

Amnesty International kritisiert doppelte Standards bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Europa. „Wer flieht, braucht Schutz – ohne Wenn und Aber“, sagte der Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion, Markus B. Beeko, in Berlin bei der Vorstellung des Amnesty-Reports 2022/2023. Die kontinuierlichen Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen wie in Litauen, Polen oder der spanischen Exklaven Melilla und Ceuta gegenüber Menschen, die vor der Gewalt in Syrien, Afghanistan oder Iran fliehen, müssten ein Ende haben.

Die europäischen Staaten hätten 2022 schnell und unbürokratisch Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, lobte der Amnesty-Generalsekretär. Das zeige, was möglich sei, wenn der politische Wille vorhanden ist: „Das muss eine Blaupause dafür sein, zukünftig Menschen aus akuten Konflikt- und Krisengebieten den notwendigen Schutz zu bieten.“

Aufgelehnt gegen Unterdrückung

Im vergangenen Jahr seien weltweit 103 Millionen Menschen auf der Flucht gewesen. Das seien so viele gewesen wie nie zuvor, sagte Beeko. Die Menschen flüchteten vor gewaltsamen Konflikten, Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Nahrungsmittelengpässen infolge des russischen Angriffes auf die Ukraine. Diesen weltweit zunehmenden Fluchtursachen stehe die eklatante Missachtung vieler Staaten gegenüber, fliehenden Menschen Schutz zu gewähren, kritisierte der deutsche Amnesty-Chef.

Der jährlich erscheinende Amnesty-Report dokumentiert die Menschenrechtslage in 156 Staaten. Hervorstechendes Merkmal 2022 seien neben den massiven Fluchtbewegungen weltweite Massenproteste gewesen, sagte Beeko. Unter anderem im Iran, in Peru, China und zuletzt in Georgien hätten sich die Menschen gegen Hunger und Unterdrückung aufgelehnt.

Seinen Report für 2022 hat Amnesty in Berlin vorgestellt
Seinen Report für 2022 hat Amnesty in Berlin vorgestelltepd-bild / Christian Ditsch

In mehr als der Hälfte der Länder (85) hätten Sicherheitskräfte unrechtmäßige Gewalt gegen Protestierende eingesetzt. In 35 Ländern seien sie mit tödlichen Waffen vorgegangen, und in 79 Staaten seien Aktivistinnen und Aktivisten willkürlich festgenommen worden. 29 Länder schränkten das Recht auf friedlichen Protest ein.

Beispielhaft sind laut Amnesty die Ereignisse im Iran seit dem Tod der 22-jährigen Kurdin Jina Mahsa Amini am 16. September 2022. Mehr als 22.000 Menschen seien seitdem bei den Massenprotesten willkürlich festgenommen worden. Demonstrierende seien aus nächster Nähe erschossen, verschleppt, gefoltert und zu langen Haftstrafen verurteilt worden, einige sogar zum Tode.

Kriegsverbrechen zum ersten Mal in Statistik

Landesweit habe Amnesty Hunderte Todesfälle namentlich dokumentiert, darunter die Dutzender Minderjähriger und Kinder. Die Dunkelziffer sei aber deutlich höher, hieß es.

Erstmals enthält der Amnesty-Report auch eine Statistik zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Menschenrechtler haben dafür nach eigenen Angaben Belege in 20 der 156 Länder dokumentiert. Neben den russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine gab es demnach gezielte Angriffe von Militärs auf Zivilisten unter anderem in Äthiopien und Myanmar. Die Verantwortlichen müssten alle zur Rechenschaft gezogen werden, forderte Beeko: „Auch hier darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.“