Zeitkapsel für das Freiburger Münster gesucht

In einem kleinen Hohlraum im Freiburger Münster werden im Sommer drei Aluminiumboxen eingeschlossen. Was sich darin verbergen wird, entscheidet jetzt ein überregionaler Schülerwettbewerb.

Was wollen wir unseren Nachfahren im Jahr 3024 von heute erzählen? Diese Frage können sich jetzt Schulklassen beim Zeitkapsel-Wettbewerb der Freiburger Münsterbauhütte stellen: Bei den aktuellen Restaurierungsarbeiten am Chor der Kathedrale werden in ein neu gestaltetes Sandsteinelement drei kleine Aluminiumkisten eingeschlossen. Hoch über dem Dach des Münsters, an einem der Pfeiler, die den Chor stützen. Darin werden drei kreativ gestaltete Zeitkapseln als Botschaften an die Zukunft versteckt.

“Der neu gehauene Sandstein sollte viele Hundert Jahre stabil bleiben. Diesen Qualitätsanspruch haben wir. Und Zeitkapseln an großen Kirchen und anderen Baudenkmälern werden normalerweise erst dann wieder geöffnet, wenn erneut saniert werden muss. Also könnten die Nachrichten, die wir jetzt darin einschließen, vielleicht erst im Jahr 3024 wieder ans Tageslicht kommen”, sagt Münsterbaumeisterin Anne-Christine Brehm.

Die Schüler haben große Freiheiten, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Zukunftsbotschaft formulieren und gestalten und welche Objekte sie in die 20 mal 10 mal 5 cm großen Aluminiumdosen legen wollen. Texte, Fotos, Speicherkarten, Bilder, Alltagsgegenstände, ein Handy? Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt – tabu ist nur das, was den Stein angreifen könnte, also zum Beispiel Flüssigkeiten oder organisch-verderbliche Stoffe.

Die Idee zum Schülerwettbewerb kommt von Hüttenmeister Uwe Zäh. Üblicherweise hinterlassen die Steinmetze und Handwerker selbst ab und an kleine Nachrichten. Auch politische Würdenträger waren schon eingeladen. “Jetzt soll lieber mal die junge Generation ran”, sagt Zäh. Beteiligen können sich Schüler der 5. bis 9. Klasse. 16 Klassen haben sich bisher angemeldet, die Anmeldefrist läuft bis Ende April. Eingeladen sind ausdrücklich auch Schulen außerhalb von Freiburg.

Bis Anfang Juli können die Klassen dann ihre konkreten Ideen und Konzepte einreichen. Dann entscheidet eine Jury über die drei Projekte, die bereits Mitte Juli aufs Dach des Münsters kommen. Es gibt insgesamt 2.000 Euro Preisgeld für die Klassenkassen. Alle Einsendungen werden in einer Ausstellung präsentiert.

Der Steinblock mit dem Zeitkapsel-Hohlraum ist schon fertig und wartet in der Bauhüttenwerkstatt auf den Krantransport zum Münster. Nötig ist die Sanierung an der Südostseite des Freiburger Wahrzeichens, weil Steine brüchig geworden sind, die im 19. Jahrhundert eingebaut worden waren. Die damaligen Steinmetze hatten qualitativ schlechte Sandsteine verwendet, die wegen Ton-Einschlüssen schnell bröselten.

“Der jetzt verwendete Neckartäler Hartsandstein mit hohem Quarzanteil wird sehr viel haltbarer sein, weil er fast keinen Ton beinhaltet”, sagt Hüttenmeister Zäh. Eine kleine tonhaltige Stelle hatte der neue Stein aber doch. Den meißelten die Steinmetze heraus – und so entstand die Nische, in die die Aluminiumdosen kommen werden.

Das Hinterlassen von Zukunftsbotschaften hat an den großen Kirchen und Kathedralen eine lange Tradition. Steinmetze meißeln seit Jahrhunderten ihre Zeichen in Steine oder schieben auch mal kleine Briefe mit persönlichen Botschaften in Fugen und Ritzen.

Am Freiburger Münster wurden schon einige Zeitkapseln entdeckt. Die ältesten stammten wohl aus dem 16. Jahrhundert und enthielten beispielsweise religiöse Medaillen und Gebete, um das Gebäude vor Blitz und Feuer zu schützen. Die Handwerker der 1920er Jahre versteckten als Zeugnis der damaligen Inflation und Wirtschaftskrise Lebensmittelmarken, Geldscheine und Listen mit den Preisen von Brot und Lebensmitteln.

Zuletzt hinterließ die damalige Münsterbaumeisterin Yvonne Faller 2007 an der Spitze des Münsterturms eine Speicherkarte mit digitalen Aufzeichnungen der Arbeiten und Sanierungen. Ob die langfristig lesbar bleibt?

Das größte Archivprojekt Deutschlands im Barbarastollen – nur wenige Kilometer von Freiburg entfernt – setzt auf Analog-Technik: Dort sind in Edelstahlfässern inzwischen mehr als eine Milliarde Fotografien auf Mikrofilm eingelagert. Zum Anschauen braucht man keine Software, sondern nur eine Lampe und eine Lupe. Wie sich die Schulklassen bei ihrer Zeitkapsel entscheiden werden?