Wolfgang Schäuble mit 81 Jahren gestorben

Gestalter der deutschen Einheit, Gründer der deutschen Islamkonferenz, dienstältester Abgeordneter in einem deutschen Parlament: Nach mehr als einem halben Jahrhundert in politischen Ämtern und Mandaten ist Wolfgang Schäuble mit 81 Jahren gestorben. Wie sein Bundestagsbüro mitteilte, starb er am Dienstag im Kreise seiner Familie. Nicht nur Wegbegleiter und Parteifreunde würdigten Schäuble als Vorbild und „Jahrhundertpolitiker“. Auch die politische Konkurrenz würdigte Schäubles außergewöhnlich langen Einsatz für die parlamentarische Demokratie.

Deutschland verliere „einen prägenden Christdemokraten, der gerne stritt und dabei doch nie aus dem Blick verlor, worum es geht in der Politik: das Leben der Bürgerinnen und Bürger besser zu machen“, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Mit Wolfgang Schäuble haben wir einen großartigen Menschen und leidenschaftlichen Politiker verloren, der Historisches für unser Land erreicht hat“, schrieb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem Kondolenzschreiben an die Witwe Ingeborg Schäuble.

Erinnert wurde am Mittwoch vor allem an Schäubles Leistungen für die Vereinigung Deutschlands. Als Bundesinnenminister im Kabinett von Helmut Kohl (CDU) verhandelte er 1990 die entsprechenden Staatsverträge. „Er gehörte zu den Architekten der deutschen Einheit“, erklärte Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Schäubles Weitsicht hervorhob und ihn als Vorbild sowie als „politischen Lehrmeister“ in ihrer Zeit als Ministerin unter Kohl bezeichnete.

CDU-Chef Friedrich Merz schrieb in einer Nachricht an die Abgeordneten seiner Fraktion, das Land verliere „eine über Jahrzehnte prägende Persönlichkeit der deutschen und europäischen Politik“. „Ich persönlich verliere meinen engsten Freund und Ratgeber, den ich in der Politik je hatte“, erklärte Merz. „Wolfgang Schäubles Tod ist ein schwerer Verlust für Deutschland und Europa“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) auf der Plattform X.

Zahlreiche Ministerpräsidenten erklärten öffentlich ihre Anteilnahme, ebenso wie Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien und der Gruppe der Linken. „Wolfgang Schäuble war ein herausragender Demokrat“, schrieb Dietmar Bartsch (Linke) auf der Plattform X. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sagte, Schäubles politisches Erbe, die parlamentarische Demokratie nie für selbstverständlich zu halten, bleibe Auftrag für alle politisch Verantwortlichen.

„Er hat sein ganzes Leben mit Integrität und Disziplin in den Dienst unseres Landes gestellt“, schrieb Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bei X. „Kaum ein Politiker hat die jüngste deutsche Geschichte und unsere demokratische Kultur so geprägt wie Wolfgang Schäuble“, erklärte dort Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

Auch die Religionsgemeinschaften würdigten den evangelischen Christen Schäuble. Er habe „immer wieder deutlich gezeigt, dass er sich von einer zutiefst christlichen Haltung hat leiten lassen“, sagte die kommissarische Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, bezeichnete Schäuble als „Ausnahmepolitiker“. Der Zentralrat der Juden erklärte auf der Plattform X, Schäuble habe sein Leben in den Dienst des Landes gestellt und sei ein enger Freund der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland gewesen.

Der gebürtige Freiburger Schäuble war 1972 im Wahlkreis Offenburg erstmals in den Bundestag gewählt worden. Er verteidigte das Direktmandat auch bei der Wahl im Jahr 2021, gehörte bis zuletzt dem Bundestag an und war damit der dienstälteste Abgeordnete. 1984 übernahm er als Bundesminister für besondere Aufgaben erstmals ein Regierungsamt. In den 90er Jahren war er Innenminister, später Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, Ende des Jahrzehnts für kurze Zeit Parteichef.

In den 2000er Jahren begründete er erneut als Innenminister die Islamkonferenz, war Finanzminister und von 2017 bis 2021 Bundestagspräsident. Seit einem Attentat 1990 war der evangelische Christ Schäuble gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen.