Wie die Kirchen die „Ehe für alle“ bewerten

Evangelische Vertreter begrüßen die Entscheidung des Bundestages. Kritik kommt dagegen von katholischer Seite.

Die Nordkirche plant, homosexuelle Paare zu segnen
Die Nordkirche plant, homosexuelle Paare zu segnenHochzeitsfotograf / Pixelio

Berlin/Hamburg. Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben unterschiedlich auf die Bundestagsentscheidung zur "Ehe für alle" reagiert. Während die katholische Kirche sich kritisch äußerte, begrüßten Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) den Beschluss. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm schrieb bei Facebook: "Ich wünsche mir, dass jetzt weder Triumphgefühle auf der einen Seite noch Bitterkeit auf der anderen Seite den Ton angeben." Er wünsche sich vielmehr, dass ein neues Bewusstsein entstehe "für das wunderbare Angebot der Ehe, in lebenslanger Treue und Verbindlichkeit miteinander leben zu dürfen", erläuterte Bedford-Strohm.
Nach den Worten des Landesbischofs der Nordkirche, Gerhard Ulrich, wird mit dem Beschluss "die Ehe zwischen Mann und Frau nicht abgewertet". Vielmehr bleibe sie maßgeblicher Rahmen für ein dauerhaftes Zusammenleben zweier einander liebender Menschen. Landesbischof Ulrich zollte den Bundestagsabgeordneten seinen Respekt. Sie hätten sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht. "Es ist gerade dieses große Verantwortungsbewusstsein, das geeignet ist, Diskriminierungen in der Gesellschaft abzubauen", sagte er. Ulrich räumte ein, dass es zu diesem Thema auch in der Nordkirche unterschiedliche Auffassungen gibt.
Der Hamburger katholische Erzbischof Stefan Heße lehnt die "Ehe für alle" dagegen ab. "Für uns ist die Ehe die Liebes- und Lebensbeziehung zwischen Mann und Frau, aus der Kinder hervorgehen können." Heße bedauerte, dass das Eheverständnis der katholischen Kirche und die staatliche Interpretation der Ehe sich weiter voneinander entfernt hätten. Außerdem sei das "überhohe Tempo" der Entscheidung dem Thema nicht angemessen. Die katholische Kirche sehe, dass sich bestimmte Lebensverhältnisse verändert hätten. Heße: "Auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen werden wichtige Werte verwirklicht." Dennoch sei die Unterscheidung zwischen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und der Ehe sinnvoll.

Pioniere der Gleichstellung

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung begrüßte dagegen die Entscheidung des Bundestags. Er erklärte in Darmstadt, damit gehe eine "lange Geschichte der Diskriminierung zu Ende". Zudem stärke der Beschluss die Ehe "als Schutzraum einer verbindlichen, verlässlichen und verantwortungsvoll gelebten Partnerschaft". Seiner Meinung schwächt die "Ehe für alle" nicht die Ehe, wie manche befürchteten, sondern stärke sie in ihrer Eigenschaft als eine auf Dauer angelegte und verantwortungsvoll gelebte Verbindung zweier Menschen.
In der Entscheidung des Bundestags spiegelt sich nach den Worten des Kirchenpräsidenten auch "eine konsequente Weiterentwicklung der Neubewertung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften wider". Jung zählt zu den Pionieren der Gleichstellung von Schwulen und Lesben in der evangelischen Kirche. Die hessen-nassauische Kirche war 2013 die erste Landeskirche in Deutschland, die die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare mit der Trauung heterosexueller Paare gleichgestellt und die Eintragung ins Kirchenbuch ermöglicht hat.

Katholische Kritik

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch indes erklärte als Vorsitzender der Kommission für Ehe und Familie der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, er bedauere, dass der Gesetzgeber wesentliche Inhalte des Ehebegriffs aufgegeben habe, "um ihn für gleichgeschlechtliche Partnerschaften passend zu machen". Mit der Bundestagsentscheidung sei "eine differenzierte Wahrnehmung unterschiedlicher Partnerschaftsformen" aufgegeben worden, betonte Koch. Dabei bedeute Differenzierung nicht gleich Diskriminierung. Die Väter des Grundgesetzes hätten der Ehe einen so herausragenden Platz in der Verfassung gegeben, "weil sie diejenigen schützen und stärken wollten, die als Mutter und Vater ihren Kindern das Leben schenken wollen". Werde jetzt vor allem der Schutz von Beziehungen und die Übernahme gemeinsamer Verantwortung als Begründung für die Öffnung der Ehe vorgebracht, so bedeute dies eine wesentliche inhaltliche Umgewichtung und eine Verwässerung des klassischen Ehebegriffs, sagte Koch.
Der Bundestag hatte am Freitagmorgen in Berlin mit einer deutlichen Mehrheit die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare beschlossen. Dafür stimmten in einer namentlichen Abstimmung 393 Abgeordnete – und damit auch ein gutes Viertel aus den Reihen der Union. Gegenstimmen gab es 226, vier Abgeordnete enthielten sich. (epd)