Warum die Slowakei so freundlich gegenüber Russland ist

Der russische Überfall auf die Ukraine spaltet die Slowakei: Bis zu einem Drittel der Bürger stehen hinter Russland. Und jetzt kommt ein Linkspopulist, der voll auf Russland setzt.

Diese Fahne weht vor der slowakischen Botschaft in Moskau
Diese Fahne weht vor der slowakischen Botschaft in MoskauImago / Itar-Tass

Für Robert Fico ist der Krieg im Nachbarland Ukraine zum wichtigsten Wahlkampfthema geworden. „Wir werfen der EU vor, dass sie von einem Friedensprojekt zu einem Unterstützer des Kriegs geworden ist. Das ist einfach beispiellos“, sagt der slowakische Linkspopulist, der bis vor einigen Jahren noch Regierungschef des Fünf-Millionen-Einwohner-Landes war und jetzt die Opposition anführt: „Wir werfen der EU vor, dass sie keine Strategie für die Ukraine hat und nur blind den USA folgt.“

Knapp 100 Kilometer misst die Grenze zwischen der Slowakei und der Ukraine, die zweitgrößte slowakische Stadt Kosice liegt von dort nur eine kurze Autofahrt entfernt. Diese geographische Nähe machte die Slowakei in den ersten Wochen nach dem russischen Überfall zu einem wichtigen Anlaufpunkt für ukrainische Flüchtlinge. Die Hilfsbereitschaft damals war gewaltig: Es waren vor allem private Initiativen, die sich um die Frauen mit ihren Kindern kümmerten, die zu Zehntausenden ankamen.

Offen auf Russland gesetzt

Und auch die Regierung, eine Koalition aus mehreren liberalen und konservativen Parteien, schlug einen Kurs der klaren Unterstützung für das Nachbarland ein. Die Slowakei zählte zum Beispiel zu den Ländern, die schnell und großzügig Waffen lieferten. Jetzt allerdings hat sich die Regierung in Bratislava über innenpolitische Fragen und Personaldebatten heillos zerstritten, im Herbst finden vorgezogene Neuwahlen statt. Robert Fico musste als Premierminister nach dem Mord am Journalisten Jan Kuciak vor fünf Jahren zurücktreten, weil er Kontakte zu mutmaßlichen Unterweltgrößen unterhielt; jetzt wittert er seine Chance, indem er offen auf Russland setzt. Denn: In der Slowakei stehen nach Umfragen bis zu einem Drittel der Bürger hinter Russland.

Soziologe Miloslav Bahna von der Slowakischen Akademie der Wissenschaften glaubt, dass diese Russlandfreundlichkeit in der Zeit vor 1989 wurzelt – viele Slowaken verbinden damit positive Erinnerungen, anders als die Nachbarn. „Der Blick auf die Epoche des Kommunismus ist in der Slowakei deshalb sehr viel positiver“, erklärt er. Während Tschechien schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg ein hochindustrialisiertes Land war, entwickelte sich der slowakische Teil der damaligen Tschechoslowakei erst ab den 1950er Jahren von einem Agrar- zu einem Industrieland. Der Lebensstandard stieg signifikant an – „und viele Slowaken sehen Russland als Repräsentant dieser Epoche an“, sagt Bahna.

Der ehemalige slowakische Regierungschef Robert Fico gibt sich sehr russlandfreundlich
Der ehemalige slowakische Regierungschef Robert Fico gibt sich sehr russlandfreundlichImago / CTK Photo

In Tschechien hingegen werden die Russen spätestens seit der blutigen Niederschlagung der Reformbemühungen im Prager Frühling 1968 mit Skepsis betrachtet, oft auch mit Hass. Damals schickte der Warschauer Pakt Soldaten bis nach Prag, die über viele Jahre dort stationiert blieben; politisch folgten bleierne Jahre.

Der Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine weckte bei vielen Tschechen sofort Erinnerungen an diese eigenen Erfahrungen. Und: Das Münchner Abkommen, bei dem die Großmächte 1938 beschlossen, dass die Tschechoslowakei einige ihrer Gebiete an Hitler-Deutschland abtreten musste, ist bis heute ein traumatisches Ereignis. Die heutigen Ratschläge, die Ukraine möge doch mit dem Aggressor verhandeln, kommen vielen Tschechen deshalb wie Hohn vor – schließlich konnte damals selbst die Gebietsabtretung den Frieden nicht sichern.

Die tschechische Opposition hat deshalb auch keinen Erfolg mit ihren Versuchen, die Tschechen gegen die Ukraine einzunehmen. „Russland ist mir egal, die Ukraine ist mir egal – mir geht’s um Tschechien“, rief beispielsweise im Sommer vergangenen Jahres der Rechts-Außen-Politiker Tomio Okamura auf einer Demonstration auf dem Prager Wenzelsplatz. Die Demonstration hatte zwar Zehntausende Teilnehmer, aber auf die Stimmung im Land hatte sie keinen Einfluss.