So steht die evangelische Kirche zu Abtreibungen

Eine Experten-Kommission hat die Legalisierung früher Abtreibungen empfohlen. Während die katholische Kirche dies ablehnt, ist aus der evangelischen Kirche dazu bislang wenig zu hören.

Für die einen Grund zur Freude, für die anderen eine Katastrophe: Ein positiver Schwangerschaftstest
Für die einen Grund zur Freude, für die anderen eine Katastrophe: Ein positiver SchwangerschaftstestImago / imagebroker

Schon vor der Experten-Empfehlung zur Legalisierung früher Abtreibungen wurde in Politik und Gesellschaft vermehrt darüber diskutiert, ob ungewollt schwangere Frauen kriminalisiert werden sollten. Es ist ein gesellschaftlicher Konflikt, der sich seit Jahrzehnten durch die Geschichte der Bundesrepublik zieht und zu dem auch die Kirchen immer wieder Stellung genommen haben.

Während die katholische Deutsche Bischofskonferenz und katholische Verbände nach Veröffentlichung des Kommissionsberichts schnell und einstimmig mögliche rechtliche Änderungen ablehnten, war aus der evangelischen Kirche zunächst wenig Inhaltliches zu hören. Eine Sprecherin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) verwies auf epd-Anfrage auf eine interne Arbeitsgruppe, die die ethischen Aspekte einer möglichen Änderung der Rechtslage prüfen soll. Deren Ergebnis gelte es abzuwarten. Auch nach der Sitzung des EKD-Rats am Wochenende gab es keine Äußerung.

EKD: Frühe Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Bedingungen außerhalb des Strafrechts regeln

Dabei war die EKD, wie auch die Bischofskonferenz, von der Kommission um eine Stellungnahme gebeten worden, die der Rat der EKD auch Anfang Oktober einreichte. Darin spricht sich der EKD-Rat für die Möglichkeit aus, frühe Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Bedingungen außerhalb des Strafrechts zu regeln. Das Gremium hält eine abgestufte Fristenkonzeption für denkbar und nennt dafür Eckdaten: Laut dem Papier sollen zwar mindestens Abbrüche ab der 22. Schwangerschaftswoche, also ab der angenommenen extrauterinen Lebensfähigkeit des Fötus, verboten und nur in definierten Ausnahmen zulässig sein. In den ersten zwölf Schwangerschaftswochen aber könnten Abbrüche demnach erlaubt sein.

Das entspricht weitgehend dem, was auch die Kommission für angemessen hält. Nur in der Frage der Beratungspflicht für die betroffenen Frauen bleibt die Kommission unentschieden, während die EKD eine Beratung für notwendig hält.

Schutzbedürftigkeit ab dem Zeitpunkt der Befruchtung

Die interne Arbeitsgruppe wurde im November nach der EKD-Synode in Ulm gegründet, auf der es zu einer Kontroverse um die Stellungnahme für die Kommission kam. Der Rat musste sich gegen Vorwürfe aus der Synode verteidigen, weil er die Möglichkeit einer abgestuften Fristenkonzeption unter anderem damit begründet hatte, dass zwischen den verschiedenen Schwangerschaftsstadien unterschieden werden soll. Dabei sei dem „Recht des Ungeborenen auf Leben in der Abwägung mit dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren mit fortschreitender Schwangerschaft zunehmendes Gewicht“ einzuräumen.

Einzelne Synodale fühlten sich davon irritiert. Denn nach christlicher Auffassung gilt die Menschenwürde und damit auch ihre Schutzbedürftigkeit ab dem Zeitpunkt der Befruchtung. Das bestreitet die EKD-Stellungnahme auch gar nicht, im Gegenteil: Der Rat schreibt: „Die Stärkung der Perspektive der Frau und ihrer reproduktiven Rechte darf aus Sicht des Rates der EKD allerdings nicht dazu führen, dass das jedenfalls ethisch zu postulierende – grundsätzliche Recht auf Leben und der daraus folgende Schutzstatus des werdenden Lebens bereits ab dem Zeitpunkt der Empfängnis negiert werden.“

„Gott ist ein Freund des Lebens“

In früheren kirchlichen Stellungnahmen, etwa der ökumenischen Erklärung aus dem Jahr 1989 „Gott ist ein Freund des Lebens“, wird das auf die Formel gebracht: Ein Embryo entwickelt sich als Mensch und nicht zum Menschen. Jedoch betonten auch 1989 schon beide Kirchen, werdendes menschliches Leben sei mit der Frau zu schützen und nicht gegen sie. Eine Formulierung, die sich bis heute in Stellungnahmen findet.

Mit der Stellungnahme für die Experten-Kommission entwickele der Rat den bisherigen Ansatz der EKD fort, heißt es in dem Dokument. Wenige Absätze später dann: Sein Beitrag sei „zwingend vorläufig“. Er spreche sich zwar für eine abgestufte Fristenkonzeption aus – ähnlich wie sie in den 1970er Jahren schon einmal kurzfristig galt, bevor das Bundesverfassungsgericht sie kippte -, diese müsse im Detail aber nicht nur innerevangelisch noch näher diskutiert werden. Ob die interne Arbeitsgruppe nun etwa wegen der Diversität der Meinungen zu diesem Thema in der evangelischen Kirche argumentativ hinter die Aussagen der Stellungnahme zurücktritt, bleibt abzuwarten.