Verfassungsgericht: Angehörige sind über Abschiebehaft zu informieren

Gerichte müssen bei einer angeordneten Abschiebe- oder Überstellungshaft von Ausländern Angehörige oder Vertrauenspersonen informieren. Denn diese im Grundgesetz enthaltene Verpflichtung hat den Zweck, das spurlose Verschwinden inhaftierter Personen zu verhindern, stellte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in drei am Mittwoch veröffentlichten Beschlüssen klar. (AZ: 2 BvR 656/20, 2 BvR 1816/22 und 2 BvR 1210/23).

Im ersten Fall war der afghanische Beschwerdeführer nach Ablehnung seines Asylantrags in Abschiebehaft genommen worden. Sein Wunsch, noch einen Freund anzurufen, bei dem er seine persönlichen Sachen aufbewahrt und sich regelmäßig aufgehalten hatte, kam das Amtsgericht Merseburg ohne Begründung nicht nach.

Im zweiten Verfahren wurde ein afghanischer Flüchtling nach seiner Einreise in Überstellungshaft genommen. Seinen Wunsch, eine Vertrauensperson# in Frankfurt zu benachrichtigen, lehnte das vom Amtsgericht Hof mit der Begründung ab, es sei unklar, welches „Frankfurt“ gemeint sei.

Im dritten Fall stellte sich das Amtsgericht Hildburghausen im Fall eines Jordaniers quer. Der Mann hatte in einer Reha-Klinik hospitiert und wartete auf seine Zulassung als Arzt. Auch er wurde in Abschiebehaft genommen, ohne dass die Reha-Klinik auf seinen Wunsch hin informiert wurde. Die Benachrichtigungspflicht gelte nur bei natürlichen, nicht aber bei juristischen Personen, lautete die Begründung.

Das Bundesverfassungsgericht entschied in allen Fällen, dass die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten verletzt wurden. Die Verfassung schreibe vor, dass im Falle einer Inhaftierung Angehörige oder sonstige Vertrauenspersonen zu benachrichtigen seien. Zweck der Vorschrift sei es, das spurlose Verschwinden von Häftlingen zu verhindern.

Im ersten Verfahren sei von einem Grundrechtsverstoß auszugehen, da überhaupt nicht dokumentiert worden sei, warum niemand informiert worden sei. Zudem sei es Gerichten durchaus zuzumuten, eine Meldeauskunft einzuholen, um eine Vertrauensperson zu ermitteln, erklärten die Verfassungsrichter im zweiten Verfahren. Dies gelte auch dann, wenn nicht klar sei, ob eine Person in Frankfurt/Main oder Frankfurt/Oder gesucht werde. Schließlich sei auch die Benachrichtigung der Reha-Klinik nicht unmöglich. Denn dort könne etwa die Person informiert werden, die für die ärztlichen Hospitanten zuständig sei.