Synode stellt Betroffene von sexualisierter Gewalt in den Mittelpunkt

„Wir sind offensichtlich nicht die Kirche, die wir sein wollen“, diese Aussage stand zu Beginn des Gottesdienstes zur Eröffnung der hessen-nassauischen Kirchensynode am Donnerstag in Frankfurt am Main. Nach der Veröffentlichung der ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland im Januar standen Berichte von Betroffenen im Mittelpunkt.

„Ein Trauma endet nicht mit der Tat, es beginnt erst dann“, wurde aus dem Bericht eines Betroffenen vorgetragen. „Noch Jahre später spüre ich die Folgen“: Schlaflosigkeit, Flashbacks (plötzliches Wiedererleben), Angst, Ohnmacht. „Die Schuld landete nicht beim Täter, sondern bei mir“: Das Umfeld habe das Opfer für die Übergriffe verantwortlich gemacht. Ein Betroffener berichtete vor den knapp 100 anwesenden Synodalen selbst: „In meinem Körper und meiner Seele verjährt nichts.“ Der Täter, der ihn missbraucht habe, sei nie gestoppt worden, nie zur Verantwortung gezogen worden, nie vor Gericht gekommen. „Die Kirche hat ihn beschützt.“

Kirchenpräsident Volker Jung griff das Thema zu Beginn seines letzten Berichtes vor der Synode auf: „Es ist beschämend zu sehen, dass wir schuldig geworden sind“, sagte er. „Eine Kirche darf nicht hinnehmen, wenn verantwortungslose Personen die Kirche mit ihren Orten und Ämtern nutzen, um Taten zu begehen, die Menschen an Leib und Seele verletzen.“ Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) habe Gegenmaßnahmen ergriffen und werde Schutzkonzepte verbessern. In vertraulichen Arbeitsgruppen hörten die Synodalen Betroffenen zu.

In seinem Bericht ging der Kirchenpräsident auf das Treffen von AfD-Vertretern und Rechtsextremisten in Potsdam im vergangenen Herbst ein. Die Kirche setze sich „klar für unsere Demokratie und gegen jede Form von Diskriminierung“ ein, sagte er unter starkem Beifall der Delegierten. Jung bezeichnete die AfD als „rechtsextrem“. Ein grundsätzlicher Beschluss zum Ausschluss von AfD-Mitgliedern aus kirchlichen Ämtern sei zurzeit jedoch nicht sinnvoll. Sehr wohl müsse aber jeder Einzelfall geprüft werden. „Völlig klar ist allerdings, dass die Unvereinbarkeit festgestellt werden muss, wenn Menschen mit rechtsextremen Parolen offen rassistisch und antisemitisch agieren“, sagte Jung.

Hinsichtlich des Angriffs Russlands auf die Ukraine sei für die evangelische Kirche der Leitgedanke des gerechten Friedens unumstritten, sagte der Kirchenpräsident. Es gehe darum, „die Ukraine in ihrem Selbstverteidigungsrecht zu stärken und sich zugleich diplomatisch darum zu mühen, dass Russland den Angriffskrieg beendet“. Dass die Russisch-Orthodoxe Kirche ihre Kriegsrhetorik verstärkt und von einem „heiligen Krieg“ gesprochen habe, sei „eine Blasphemie“ (Gotteslästerung).

Der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres sei für alle Juden auf der Welt eine „traumatische Erfahrung“ gewesen, sagte der Kirchenpräsident. Antisemitismus sei wie jede Form von Diskriminierung ein Angriff auf die Menschenwürde und „ist deshalb aus Sicht des Glaubens Sünde“. Dazu gehöre politisch „ein uneingeschränktes Ja zum Existenzrecht Israels“. Doch auch das Leid der palästinensischen Bevölkerung bewege die Kirche sehr, sie unterstütze Hilfsprojekte in Israel und in den palästinensischen Gebieten.