Soziologe: Demonstrationen werden an AfD-Stimmen kaum rütteln

Auch wenn die Mehrheit weiter auf die Straße geht: Am hohen Stimmenanteil der AfD wird sich kaum etwas ändern, befürchtet der Soziologe Aladin El-Mafaalani. Woran das liegt.

Bundesweit, wie hier in Rottenburg (Baden-Württemberg), gehen die Menschen gegen die AfD auf die Straße
Bundesweit, wie hier in Rottenburg (Baden-Württemberg), gehen die Menschen gegen die AfD auf die StraßeImago / Ulmer Pressebildagentur

Der Osnabrück Soziologe Aladin El-Mafaalani bezweifelt, dass die Massen-Demonstrationen gegen Rechtsextremismus einen Einfluss auf die im Herbst anstehenden Landtagswahlen haben werden. Für den großen Zulauf zur AfD sei die unangemessene Diskussion über Migrationspolitik verantwortlich, sagte El-Mafaalani in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Unrealistische Zielvorstellungen hätten dazu geführt, dass Migration zu einem extrem polarisierenden Thema geworden sei. Solange die Politik nicht umschwenke, werde sich am Stimmenanteil von 30 Prozent und mehr für die AfD kaum etwas ändern.

Alle Parteien formulierten seit Jahren das Ziel, die Zuwanderung einzudämmen. Das gipfele in dem Satz von Bundeskanzler Scholz, abgelehnte Asylbewerber „im großen Stil“ abschieben zu wollen, sagte der Migrations- und Bildungsforscher. Diese Zielsetzungen seien unrealistisch. Das erlebe etwa Großbritannien derzeit auf schmerzliche Weise. Auch durch den Brexit sei die Zahl der Zuwandernden nicht zurückgegangen.

Kluft zwischen Zielen und Resultaten

Die Bürger hörten die Botschaften und erlebten immer wieder, dass die Versprechen nicht eingehalten würden, sagte der Professor für Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft an der Universität Osnabrück. „Diese Kluft zwischen Zielen und Resultaten erzeugt Frust und Misstrauen und ist für Populisten ein gefundenes Fressen.“ Deshalb glaube er nicht, dass AfD-Sympathisanten – auch diejenigen, die kein geschlossenes rechtsextremes Weltbild hätten – sich durch die Demonstrationen umstimmen ließen.

El-Mafaalani riet der Politik, offener und ehrlicher über die Komplexität von Migration zu sprechen. „Wir müssen darüber sprechen, wie wir die unbestreitbar vorhandenen Probleme in den Griff bekommen können.“ Ferner sollten die Chancen von Zuwanderung für eine alternde Gesellschaft erörtert werden. „Wir müssen darüber reden, wie viel Migration wir brauchen und wie wir die Integrationspolitik verbessern können. Sonst laufen wir den populistischen Strömungen weiterhin permanent hinterher.“

Am Wochenende waren in ganz Deutschland Hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straßen gegangen. Weitere Demonstrationen sind für die kommenden Tage und Wochen angekündigt. Sie sind eine Reaktion auf Berichte über ein Treffen hochrangiger AfD-Politiker mit Rechtsextremen. Bei dem Treffen im November in Potsdam war laut dem Recherchenetzwerk „Correctiv“ über die Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland diskutiert worden.