Sozialverbände: Gesetz zur Inklusion am Arbeitsmarkt kein großer Wurf

Viele Sozialverbände halten den Ansatz des neuen Inklusionsgesetzes für den Arbeitsmarkt für richtig, rügen aber auch dessen Schwächen der Neuregelung. Ob der Bundesrat zustimmt, ist offen.

Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, hält das neue Inklusionsgesetz trotz einiger Verbesserungsvorschläge für einen guten und richtigen Schritt
Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, hält das neue Inklusionsgesetz trotz einiger Verbesserungsvorschläge für einen guten und richtigen SchrittImago / Future Image

Die Richtung stimmt, doch es gibt etliche noch unerfüllte Forderungen. So lässt sich die Bewertung der Sozialverbände des neuen „Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts“ zusammenfassen, das der Bundestag am 20. April beschlossen hat. „Wir halten es trotz einiger Verbesserungsvorschläge für einen guten und richtigen Schritt. Mit der Einführung einer vierten Staffel bei der Ausgleichsabgabe für Unternehmen, die keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen, steht eine langjährige Forderung des VdK im Gesetz“, sagte Präsidentin Verena Bentele dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Am Freitag (12. Mai) will der Bundesrat über die neuen Regelungen beraten, doch offen ist, ob das Gesetz durchkommt. Denn die Union stimmte schon im Bundestag dagegen, weil sie eine höhere Ausgleichsabgabe für Firmen ablehnt.

Höhere Lohnkostenzuschüsse

Durch höhere Lohnkostenzuschüsse soll es für Arbeitgeber künftig günstiger werden, Menschen mit Behinderung einzustellen. Auf der anderen Seite sollen sich die Ausgleichszahlungen besonders stark für jene Betriebe erhöhen, die gar keinen behinderten Menschen beschäftigen. Das ist ein Viertel aller dazu verpflichteten Betriebe. Die Abgabe für Unternehmen ab 60 Beschäftigten verdoppelt sich in solchen Fällen von 360 Euro auf 720 Euro monatlich für jeden nicht besetzten Pflichtarbeitsplatz. Gleichzeitig soll die bisherige Bußgeldvorschrift dazu aufgehoben werden.

Bentele sparte nicht mit Kritik: „Für einen großen Fehler halten wir, dass die Bußgeldvorschrift abgeschafft werden soll.“ Damit belohne man „Arbeitgeber, die vorsätzlich oder fahrlässig keine oder nicht genügend schwerbehinderte Menschen beschäftigen. Wenn Pflichtverstöße nicht geahndet werden, wird die Vorschrift zum zahnlosen Tiger werden“, befürchtet die VdK-Chefin. Es werde „viel zu leicht gemacht, sich der gesetzlichen Beschäftigungspflicht zu entziehen.“

Offener Brief an die Ministerpräsidenten

Auch der Evangelische Fachverband für Teilhabe (BeB) warnte in einem Offenen Brief an die Ministerpräsidenten vor dem Scheitern des Gesetzes in der Länderkammer. Die vorgesehenen Änderungen seien bedeutsame Schritte hin zu einem inklusiven Arbeitsmarkt. „Wir vernehmen die Diskussion um eine mögliche Ablehnung im Bundesrat mit großer Sorge und bitten um eine breite Unterstützung durch die Bundesländer“, schrieb der BeB.

Durch höhere Lohnkostenzuschüsse soll es für Arbeitgeber künftig günstiger werden, Menschen mit Behinderung einzustellen (Symbolbild)
Durch höhere Lohnkostenzuschüsse soll es für Arbeitgeber künftig günstiger werden, Menschen mit Behinderung einzustellen (Symbolbild)Imago / Westend61

Tobias Schmidt, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke (BAG BBW), begrüßte zwar die Reform. Doch auch er sagt: „Völlig unverständlich ist, dass die Bußgeldregelung für Unternehmen gestrichen werden soll, die vorsätzlich gegen die Beschäftigungspflicht verstoßen.“

Schmidt beklagte, dass eine bestimmte Gruppe von jungen Menschen komplett vergessen worden sei: Diejenigen Jugendlichen im sogenannten Übergangssystem, Personen mit Handicap, die aber keinen Grad der Behinderung haben. „Sie verschwinden regelrecht im ’schwarzen Loch‘ der Bildungskette.“ Hier müsse dringend nachgesteuert werden, wenn man diese Gruppe auf den Arbeitsmarkt bringen wolle, sagte Schmidt.

Schlechte Beschäftigungsquote für behinderte Menschen

Für den Fachverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) hat die schlechte Beschäftigungsquote für Menschen mit Einschränkungen ihren Grund auch darin, dass die Unternehmen über die staatlichen Fördermaßnahmen nicht ausreichend informiert seien. „Daran wird sich auch durch das neue Gesetz nicht grundsätzlich etwas ändern“, sagte CBP-Referent Thomas Schneider dem epd.

DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks kritisierte dagegen die geplante Erhöhung der Ausgleichsabgabe. „Sie setzt nicht an den Ursachen an und belastet auch Betriebe, die für ihre offenen Stellen keine passenden Bewerber finden.“ Stattdessen sollte die Politik „noch mehr ermutigen, Vorurteile in Betrieben und bei Betroffenen abzubauen sowie bürokratische Barrieren zu beseitigen“.