Religion unter der Lupe

Hoffnung, Gefahr oder irgendetwas dazwischen? Die Konferenz „Die Zukunft der Religion“, die in der Hauptkirche St. Petri eröffnet wird, rückt das Handeln von Glaubensgemeinschaften weltweit in den Fokus.

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Hamburg. Glaube ist ein aktuelles Thema – auch in einer säkularisierten Welt. Zahlreiche Brandherde der ganzen Welt beruhen auf  religiösen Unterschieden: Gewalttaten in Afghanistan, Bangladesh, Palästina, Syrien, auch in Europa zeugen davon. Religion gilt zugleich auch als Hoffnungsträger, diese Konflikte lösen zu können. Dazu hat die Zeit-Stiftung prominente Vertreter von Kirchen und Glaubensgemeinschaften nach Hamburg eingeladen. Am 23. und 24. Februar diskutieren sie mit Politikern und jungen Akteuren über „Die Zukunft der Religion“.
Zwei Tage lang geht es in der St.-Petri-Kirche und der Bucerius-Law-School um eine Vielzahl von Aspekten rund ums Thema. Dabei geben sich Promis wie der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, Annette Schavan, Vorsitzende beim Heiligen Stuhl, und Bischof Wolfgang Huber praktisch die Klinke in die Hand. Unter dem Titel „Wie viel Religion verträgt die Demokratie?“ spricht Kulturstaatsministerin Monika Grütters in ihrem Eröffnungsvortrag in der Hauptkirche St. Petri über Chancen und Risiken des Glaubens in der freien Gesellschaft. Anschließend stellt der „Tagesschau“-Journalist und Nahost-Experte Constantin Schreiber seinen „Moscheereport“ vor. Wer mag, kann danach einen Predigt-Slam unter dem Motto „Tritt fest auf, mach’s Maul auf!“ erleben, bei dem unter anderem Pfarrerin Kathrin Oxen vom Predigtzentrum Wittenberg auftritt.

Bedford-Strohm diskutiert mit Sohn

Gespickt mit spannenden Inhalten ist auch der zweite Tag der Konferenz. Der Spannungsbogen könnte größer fast nicht sein – er reicht thematisch von der neu gegründeten liberalen Moschee bis hin zu den Ursachen und Folgen eines menschenverachtenden Dschihads. Der bayrische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm wird mit seinem Sohn Jonas über die Relevanz des Grundprinzips „Liebe deinen Nächsten“ sprechen – und darüber, wie dies heute kommuniziert werden kann. 
„Nächstenliebe ist und bleibt aktuell. Ja, mehr noch, sie ist ein Zukunftsmodell“, führt Bedford-Strohm aus. „Wenn wir das Doppelgebot der Liebe, Gott lieben und den Nächsten lieben, wirklich ernst meinen, gilt das nicht für die Christen, sondern für jeden Menschen. Denn Jesus hat nicht gesagt: ‚Liebe deinen christlichen Nächsten wie dich selbst‘, sondern ‚liebe deinen Nächsten wie dich selbst‘. Das Allerwichtigste ist also, dass wir jeden Menschen mit seiner Religion ernst nehmen.“ Zugleich erwarte er aber auch von jeder Religion, „dass sie ihre eigenen Traditionen kritisch prüft, ob sie zum Hass aufrufen oder ob sie Kräfte des Friedens sind“. Die These vom angeblichen Relevanzverlust der Kirche teile er nicht, so Bedford-Strohm: „Unsere Gesellschaft sucht intensiver denn je nach Orientierung. Sie sucht nach Orten, an denen über ethische Fragen reflektiert wird. Glaube und Ethik gehören zusammen. Man kann als Christ nicht religiös sein, ohne sich für den Nächsten zu interessieren.“
Und Jonas Bedford-Strohm ergänzt: „Digitalität durchdringt zwar nahezu jeden Winkel unseres Lebens, wir Menschen sind aber trotz aller Veränderung weitgehend die gleichen. Insofern haben wir eine Menge Erfahrung aus prä-digitalen Zeiten, die wir sinnvoll und durchdacht auch digital heute anwenden können. Cyberspace ist kein getrenntes Universum, sondern eine verkörperte Praxis, durch die echte Menschen aus Fleisch und Blut über technologische Wege kommunizieren." Hier gelte es einerseits mit Ruhe und Verstand Orte der digitalen Kommunikation zu schaffen, die nicht von frenetischem Stress getrieben sind, etwa Podcasts wie die Lichterfeier aus Taize. Aber es bedeute andererseits auch, die christliche Botschaft der radikalen Liebe mit Humor, Empathie und Authentizität im Konzert der Ideen zu platzieren und jeden Tag praktisch vorzuleben. 
Hinter Konzept und Inhalten der Konferenz steht die Zeit-Ressortleiterin Evelyn Finger. „Unser Ziel ist, die Vielfalt aktueller Themen zu zeigen, in denen Religion eine Rolle spielt. Viele politische Konflikte heute sind nur zu lösen, wenn man auch Religionskompetenz hat“, sagt die Journalistin. „Wir möchten die religionspolitische Debatte nach vorn bringen und wichtige Akteure in diesem Feld vernetzen.“
Mehr Infos zur Konferenz „Die Zukunft der Religion“ finden sich hier.