Prozess gegen Redakteur von Radio Dreyeckland startet

Am Landgericht Karlsruhe beginnt am Donnerstag der Prozess gegen einen Journalisten, der in einer Nachrichtenmeldung im Netz einen Link gesetzt hatte. Was nach Routine klingt, berührt Kernfragen der Pressefreiheit.

Eine Nachricht flattert in die Redaktion, ein Redakteur recherchiert, fasst das Geschehen zusammen und verlinkt relevante Quellen. So weit, so normal in den alltäglichen Mühlen des Online-Journalismus. Als die Staatsanwaltschaft Karlsruhe im Sommer 2022 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ gegen „Linksunten Indymedia“ eingestellt hatte, geschah in der Redaktion von Radio Dreyeckland (RDL), einem kleinen linksalternativen Radiosender in Freiburg, genau das. Redakteur Fabian Kienert verfasste eine Meldung über die Einstellung des Verfahrens und veröffentlichte sie auf der Webseite des Senders.

„Linksunten Indymedia“ ist ein Netzwerk, das die linke Plattform „linksunten.indymedia.org“ betrieben hat. Auf der Plattform wurden jahrelang anonym Demoaufrufe, Solidaritätsbekundungen, aber auch Bekennerschreiben linksextremer Gruppen nach Anschlägen veröffentlicht. Jeder konnte dort Inhalte hochladen, die von einem Moderationsteam überprüft wurden.

Laut eigenen Angaben löschte das Team unter anderem diskriminierende und nationalistische Inhalte, Falschmeldungen, Werbung für Parteien oder Spam. Ob ein Inhalt strafbar war, war demnach kein Kriterium für die Veröffentlichung. Nachdem linksradikale Randale beim G20-Gipfel in Hamburg Politik und Öffentlichkeit aufgeschreckt hatten, wurde die Plattform 2017 verboten – auch wenn ein Großteil der Inhalte nicht gegen Gesetze verstoßen hatte.

Schon dieses ursprüngliche Verbot von „linksunten.indymedia.org“ war 2017 scharf kritisiert worden. Reporter ohne Grenzen (ROG) sah seinerzeit eine „rechtsstaatlich gefährliche Entwicklung“. Zwar müssten Aufrufe zur Gewalt gelöscht und ihre Urheber bestraft werden, so die Organisation. Pressefreiheit gelte aber auch für unbequeme, ja selbst für schwer erträgliche Veröffentlichungen. „Um gegen strafbare Inhalte auf ‚linksunten.indymedia.org‘ vorzugehen, hätte es weniger einschneidende Mittel gegeben“, so damals ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

2020 ging ein Archiv der Seite wieder online. Es war nicht mehr möglich, neue Texte zu veröffentlichen, aber alte Beiträge von 2008 bis 2017 waren wieder verfügbar. Genau dieses Archiv verlinkte Kienert im August 2022 in seiner Nachrichtenmeldung darüber, dass die Staatsanwaltschaft Karlsruhe nicht weiter wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittle, weil es keine ausreichenden Beweise gegen die Verdächtigen gegeben habe. Der fragliche Satz zu dem Link lautete: „Im Internet findet sich linksunten.indymedia.org als Archivseite.“

Diesem Link verdankt Journalist Kienert ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Karlsruhe und eine Hausdurchsuchung seiner Privatwohnung, inklusive Beschlagnahme eines Computers. „Die Staatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, dass der Beitrag mit der Verlinkung dieses Archivs einen Straftatbestand darstellt“, erklärte Angela Furmaniak, Kienerts Rechtsanwältin, im Gespräch mit dem Mediendienst der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Wegen des Vorwurfs der Unterstützung des Fortbestands einer verbotenen Vereinigung muss sich Kienert daher ab Donnerstag vor dem Landgericht Karlsruhe verantworten.

Im Zuge der Ermittlungen habe die Staatsanwaltschaft sogar versucht, an die Daten der Menschen zu kommen, die die Webseite von Radio Dreyeckland im fraglichen Zeitraum besucht hatten, berichtete der Sender Anfang 2023. Dann sei zu befürchten gewesen, „dass sämtliche Radiokommunikation der letzten 25 Jahre bei der Polizei gewesen wäre“. Ein tiefer Eingriff in das rechtlich besonders geschützte Redaktionsgeheimnis, das dem Staat hohe Hürden vorgibt, bevor er die Vertraulichkeit journalistischer Arbeit brechen darf.

Bis zum heutigen Tage werde auch noch darüber gestritten, ob der Laptop ihres Mandanten ausgewertet werden dürfe, so Anwältin Furmaniak: „Da würden Erkenntnisse zum Vorschein kommen, die mit unserem Verfahren überhaupt nichts zu tun haben, sondern wirklich die ureigene journalistische Tätigkeit betreffen, Recherchen zu anderen Themen, Interviews mit Informanten.“ Genau deswegen sei das Verfahren so heikel: „Es tangiert an allen Punkten das Grundrecht der Pressefreiheit im innersten.“

Bei den Ermittlungen gegen den Journalisten sei nicht unbedingt der reine Link das Problem, so Furmaniak weiter: „Auf dieses Archiv hatten auch andere Presseorgane mal verlinkt, unter anderem die ‚taz‘ und die Tagesschau. Die Staatsanwaltschaft behauptet, dass sich aus dem Kontext des Artikels eine klare Parteinahme für die verbotene Organisation ergebe und daher Werbung für diese Organisation darstelle.“

Im Falle einer Verurteilung drohe dem Journalisten voraussichtlich eine Geldstrafe, fügte die Anwältin hinzu – auch wenn der gesetzliche Strafrahmen bis zu drei Jahre Haft vorsieht. Ob man gegen eine mögliche Verurteilung in Revision gehen würde, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch schwer zu sagen: „Uns kommt es darauf an, das Thema inhaltlich zu klären. Es gibt noch relativ wenig Rechtsprechung zur Problematik, wie mit Links umgegangen wird und wie problematisch die Verlinkung von fremden Beiträgen ist. Deswegen haben wir ein Interesse daran, das wirklich juristisch zu klären.“