Politiker beschwören Lehren des DDR-Volksaufstandes vom 17. Juni
Vor 70 Jahren streikten in Ost-Berlin und andernorts Arbeiter, um gegen die Erhöhung der Normen zu protestieren. Der Aufstand wurde von der sowjetischen Armee blutig niedergeschlagen.
Der Bundestag hat mit einer Gedenkstunde des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 in der DDR gedacht. Spitzenpolitiker würdigten dabei den Freiheitswillen der Männer und Frauen von damals und schlugen einen Bogen von dem vor 70 Jahren blutig niedergeschlagenen Widerstand zur friedlichen Revolution von 1989. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) mahnten zugleich zur Verteidigung von Demokratie und Freiheit in heutiger Zeit.
Bundespräsident Steinmeier nannte den Widerstand gegen das SED-Regime an mehr als 700 Orten „eine Massenerhebung gegen die Diktatur“ und „ein Volksbegehren für die Demokratie“. Der Aufstand habe sich nicht nur gegen die Erhöhung von Arbeitsnormen, gegen niedrige Löhne, hohe Preise und leere Regale gerichtet: „Er richtete sich gegen die Normierung einer ganzen Gesellschaft – gegen Planwirtschaft und Zwangskollektivierung, gegen staatliche Überwachung, Propaganda und Zensur, gegen die Unterdrückung von Christen, Oppositionellen und Unangepassten, gegen die Diktatur einer ‚Einheitspartei‘.“
Vorkämpfer der heutigen Demokratie
Die Männer und Frauen des 17. Juni seien damit Vorkämpfer der heutigen Demokratie. Viel zu lange sei ihnen die Aufmerksamkeit und Anerkennung verwehrt worden, die ihnen gebühre. Das Staatsoberhaupt würdigte den 17. Juni zugleich als herausragendes Ereignis der deutschen Freiheitsgeschichte. Er gehöre in eine Reihe mit der März-Revolution von 1848 und der November-Revolution von 1918. Und er sei ein Vorläufer der Friedlichen Revolution.
Steinmeier schlug auch den Bogen zu anderen Freiheitsbewegungen in Mittel- und Osteuropa. Zum Krieg Russlands gegen die Ukraine sagte das Staatsoberhaupt, die Ukrainerinnen und Ukrainer brauchten Unterstützung. „Lassen wir sie nicht im Stich“, mahnte Steinmeier.
Der Bundespräsident warnte zugleich vor einer Verklärung von Geschichte. „Privates Glück, schöne Momente gab es auch in der Diktatur“, sagte er, erinnerte aber auch an den monströsen Überwachungs- und Bespitzelungsapparat des DDR-Regimes. Der Bundespräsident nannte es „eine fadenscheinige Lüge, wenn die Gegner unserer Demokratie, wenn Populisten und Extremisten behaupten, es sei heute ‚genau wie damals’“.
Bundestagspräsidentin Bas unterstrich, Diktaturen vertrügen keine freien Menschen. Sie brauchten Untertanen, die gehorchen: „Das ist der Unterschied zu freiheitlichen Demokratien.“ Auch Bas beklagte, der 17. Juni 1953 habe bisher nicht den Platz im historischen Gedächtnis, den er verdiene. Bis heute fehle ein zentraler Gedenkort für die Opfer der SED-Diktatur und den Widerstand gegen die kommunistische Gewaltherrschaft. Die schnelle Verwirklichung des vom Bundestag beschlossenen Mahnmals sei man den Verfolgten schuldig.
Zeitzeugen berichten
In der Gedenkstunde wurden auch Erinnerungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen vorgetragen, unter anderem eines Arbeiters aus den Leuna-Werken und anderen Teilen des heutigen Sachsen-Anhalt.
Am 17. Juni 1953 und danach gab es Streiks und Demonstrationen in vielen Orten der DDR. Der Aufstand wurde durch die sowjetische Armee blutig niedergeschlagen. Mindestens 55 Menschen starben. Tausende wurden festgenommen.