Das ewige Elend mit der Organspende

Mehr als 8.000 Menschen warten auf ein Spenderorgan. Die gute Nachricht: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Organspenden deutlich gestiegen. Die schlechte: Das reicht bei weitem  nicht.

In Deutschland werden wieder mehr Organe gespendet – es sind aber immer noch zu wenig
In Deutschland werden wieder mehr Organe gespendet – es sind aber immer noch zu wenigImago / epd-bild

Das Thema Organspende beschäftigt Schauspieler Dominic Raacke (65) gerade doppelt. Der frühere Tatort-Kommissar steht derzeit in München in der Komödie „Herz und Niere“ auf der Bühne, in der die Frage einer Nierenspende zu heftigen Turbulenzen zwischen zwei befreundeten Ehepaaren führt. Zugleich setzt sich Raacke persönlich mit der Organspende auseinander.

Er habe dazu eine ambivalente Einstellung, sagte er kürzlich der Münchner Abendzeitung. Bis zum vergangenen Jahr wäre er dafür bereit gewesen. „Aber aus meinem ‚Ja‘ ist wieder ein ‚Nein‘ geworden.“ Ihm sei die Vorstellung, dass man etwas an seinem toten Körper unternehme, höchst unangenehm. „Aber vielleicht überwinde ich das auch wieder.“

Organspende: Deutsche bleiben zögerlich

Wie Raacke geht es vermutlich vielen Bundesbürgern: Die Frage, ob man nach seinem Tod Organe spenden würde, ist hoch emotional und mit großen Ängsten besetzt. Andererseits kann eine Organspende dem Tod vielleicht auch ein wenig Sinn verleihen, weil man anderen Menschen helfen kann.

Fest steht, dass die Deutschen beim Thema Organspende sehr zögerlich sind. Seit Jahren liegen sie in der internationalen Rangliste bei der Zahl der Spender ganz hinten. Und seit Jahren verharren die Spenderzahlen auf niedrigem Niveau oder sinken weiter.

Dieser Trend scheint jedoch vorerst gestoppt. „Organspendezahlen in 2023 auf leichtem Erholungskurs“, teilt die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) mit. Die Zahl der Organspenden ist nach einem starken Rückgang 2022 im vergangenen Jahr um 11 Prozent gestiegen.

Neue Debatte um Transplantationsgesetz

Danach haben 965 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet. Dies sind 96 mehr als 2022 und entspricht 11,4 Spendern pro Million Einwohner. In den 45 deutschen Transplantationszentren wurden insgesamt 2.985 Organe nach postmortaler Spende aus Deutschland und dem Eurotransplant-Verbund übertragen (2022: 2.795). Damit wurde bundesweit insgesamt 2.866 schwer kranken Patientinnen und Patienten durch ein oder mehrere Organe eine bessere Lebensqualität oder sogar ein Weiterleben geschenkt (2022: 2.695). Gleichzeitig stehen in Deutschland knapp 8.400 Menschen auf den Wartelisten für eine Transplantation.

Die seit Jahren niedrige Spendenzahl hatte in den vergangenen Monaten zu einer neuen Debatte über das Transplantationsgesetz geführt. Mitte Dezember sprach sich auch der Bundesrat dafür aus, eine Widerspruchslösung einzuführen. Nach dem 1997 verabschiedeten Gesetz besteht in Deutschland eine „erweiterte Zustimmungslösung“: Organspender ist nur, wer zu Lebzeiten ausdrücklich einer möglichen Spende zugestimmt hat. Die „Widerspruchsregelung“ würde dagegen bedeuten, dass jeder Bürger ein potenzieller Organspender ist – außer, er hat dem ausdrücklich widersprochen.

Befürworter erhoffen sich dadurch deutlich mehr Organspenden, weil die schweigende Mehrheit der Bürger als potenzielle Spender zur Verfügung stünde. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sieht eine große Dringlichkeit für eine solche Reform. „Es ist inzwischen alles unternommen worden, um im Rahmen unserer Zustimmungsregelung die Zahlen nach oben zu bringen. Wir müssen so ehrlich sein und zugeben, dass das alles nicht hilft.“

Transplantationsmedizin will Prozesse verbessern

Auf die aktuell gestiegenen Zahlen reagierte die DSO zurückhaltend. „Durch den enormen Einbruch der Spenderzahlen im Jahr 2022 bringt uns das Plus von 11 Prozent zumindest wieder zurück auf das Niveau, das wir in den Jahren zuvor halten konnten – und das ist angesichts der rund 8.400 schwer kranken Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten deutlich zu niedrig“, sagte der Medizinische Vorstand Axel Rahmel.

Um die Situation zu verbessern, setzt er zunächst auf technische Verbesserungen, die Prozesse in der Transplantationsmedizin verbessern können. So könne es Krankenhäusern mit Hilfe einer neuen Software besser gelingen, einen vollständigen Hirnfunktionsausfall frühzeitig zu erkennen und damit mögliche Spender auf der Intensivstation zu identifizieren. Zudem gebe es neue technische Verfahren, um die Qualität der Spenderorgane besser zu bewerten und Schäden zu verhindern.