Bundesrat will mehr Organspenden – Reform gefordert

Mehr als 8.000 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan. Zugleich bleiben die Organspenden auf einem niedrigen Niveau. Der Druck für eine Gesetzesreform steigt.

Der Bundesrat will die Zahl der Organspenden in Deutschland deutlich erhöhen und macht Druck für eine Reform des Transplantationsgesetzes. Die Länderkammer sprach sich am Freitag in Berlin für die Einführung einer so genannten Widerspruchslösung aus. Danach wäre jeder Bundesbürger ein potenzieller Organspender – außer er hat zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen. Bislang gilt eine erweiterte Zustimmungslösung. Sie sieht vor, dass nur Organe entnommen werden dürfen, wenn der Spender zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat.

Die Länderkammer stimmte einer Initiative von Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen zu. Die Länder fordern die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. Die derzeit geltende „erweiterte Zustimmungslösung“ habe sich in der Praxis nicht bewährt, heißt es in dem Beschluss: Die Zahl der Organspenderinnen und -spender stagniere auf niedrigem Niveau – trotz intensiver und langjähriger Aufklärungs- und Informationskampagnen. Umfragen zufolge habe lediglich ein Drittel der Bevölkerung bisher eine Entscheidung getroffen und im Organspendeausweis festgehalten. Daher müssten oft Angehörige entscheiden, die in der akuten Situation des Todes häufig überfordert seien und eine Spende ablehnten.

Der Bundestag hatte sich im 1997 verabschiedeten Transplantationsgesetz bewusst für eine Zustimmungslösung entschieden. Ein zentrales Argument ist, dass im Gesundheitsbereich jeder noch so kleine Eingriff der Zustimmung des Patienten bedarf. Vor drei Jahren lehnte der Bundestag die Widerspruchslösung noch einmal ausdrücklich ab.

Ärzteorganisationen, aber auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), haben sich zuletzt mehrfach für einen neuen Anlauf für eine Widerspruchslösung stark gemacht. Auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) verwies am Freitag im „stern“ auf das Leid der mehr als 8.000 Menschen, die derzeit auf der Warteliste für ein Spenderorgan stehen. „Wir sehen immer deutlicher: Die Zustimmungsregel reicht nicht aus“, sagte er. „Es ist inzwischen alles unternommen worden, um im Rahmen unserer Zustimmungsregelung die Zahlen nach oben zu bringen. Wir müssen so ehrlich sein und zugeben, dass das alles nicht hilft.“

Auch die Bundesärztekammer begrüßte den Beschluss des Bundesrates. „Die Widerspruchslösung kann viele Menschenleben retten. Sie kann helfen, die große Lücke zwischen der hohen grundsätzlichen Spendebereitschaft und den tatsächlichen niedrigen Spendezahlen zu verringern“, erklärte Kammerpräsident Klaus Reinhardt.

Der Berliner katholische Theologe Andreas Lob-Hüdepohl wandte sich unterdessen gegen eine Widerspruchslösung. Organspende müsse immer eine freiwillige Entscheidung bleiben, sagte das Mitglied des Deutschen Ethikrats der Zeitschrift „Publik Forum“. Das gelte gerade, weil es auch um eine Entscheidung über den eigenen Sterbeprozess gehe.

2022 spendeten 869 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe. Das entspricht 10,3 Spendern pro eine Million Einwohner (2021: 11,2); Deutschland zählt damit im internationalen Vergleich zu den Schlusslichtern.