Opferberatung: Rechtsextreme Gewalt in Sachsen steigt wieder

Gewalt am Rande von Demonstrationen oder im Alltag: In Sachsen ist die Zahl rechts motivierter Angriffe im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Für 2023 hat die Opferberatung RAA Sachsen 248 Gewalttaten gezählt. Das sei ein Anstieg zum Vorjahr um 21 Prozent, sagte RAA-Geschäftsführerin Andrea Hübler am Freitag in Dresden bei der Vorstellung der Jahresstatistik 2023 zu rechts motivierter Gewalt in Sachsen. Mindestens 380 Menschen seien davon direkt betroffen gewesen.

Die Täter seien vor allem organisierte Neonazis, sagte Hübler. Aber es gebe auch spontane Angriffe einzelner Bürgerinnen und Bürgern, die auf verbreiteten rechten Einstellungen in der Gesellschaft basierten. Ein Anstieg der Gewalttaten werde nach dem statistischen Knick in den Corona-Jahren seit 2022 wieder beobachtet.

Vor allem Bedrohungen hätten wieder eine zunehmende Bedeutung, sagte Hübler. Betroffene sollen eingeschüchtert werden – wie etwa in Bautzen, wo Neonazis Jugendliche in einem Club umstellten und massiv bedrohten. Ein anderes Beispiel ereignete sich RAA zufolge in Sebnitz: Dort habe ein Nachbar aus rassistischen Motiven eine Familie mit einer Schreckschusspistole bedroht.

Längst seien nicht nur Erwachsene von den Angriffen betroffen, sagte Hübler. Auch Kinder und Jugendliche zählten zu den Opfern. Insgesamt wurden laut Hübler bei den Attacken von Rechten vor allem Körperverletzungsdelikte (157) verübt. In 79 Fällen handelte es sich um Nötigung beziehungsweise Bedrohung.

Schwerpunktregionen der rechten Gewalttaten waren laut RAA die Städte Leipzig, Dresden und Chemnitz sowie die Landkreise Zwickau, Leipzig, Bautzen und Görlitz. Das häufigste Tatmotiv sei mit 129 Fällen nach wie vor Rassismus, sagte Hübler. Außerdem hätten sich 33 Angriffe gegen politische Gegner, 29 gegen Andersdenkende und Alternative sowie 20 gegen Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität gerichtet.

Ein deutlicher Anstieg bestehe mit sechs Fällen bei antisemitischer Gewalt. Drei Fälle hätten sich nach dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel ereignet.

„Mit einem verstärkten Auftreten neonazistischer Organisationen und einem Zuwachs an jungen Neonazis geht auch eine Zunahme rechts motivierter Gewalttaten einher“, warnte Hübler. Rassistisch motivierte Angriffe und Angriffe gegen Andersdenkende und Alternative hätten deutlich zugenommen.

Der 22-jährige Zwickauer Autor und Aktivist Jakob Springfeld kritisierte eine nach seiner Ansicht stattfindende „Entpolitisierung“ rechtsextremer Straftaten. Als Beispiel nannte er eine Gerichtsentscheidung in Sachsen, bei der die Straftat eines Neonazis als „jugendlicher Leichtsinn“ bewertet wurde. Springfeld warnte vor einem Angstklima, das von Neonazis bewusst geschaffen werde und vor Bedrohungen, die kein Randphänomen mehr seien und sich längst nicht nur gegen Linke richteten.

Die Gewalttaten finden laut Hübler meist im öffentlichen Raum statt, etwa im Umfeld von Demonstrationen, an Haltestellen oder in Straßenbahnen. Politische Gegner und Gegnerinnen würden zudem auch im persönlichen Wohnumfeld angegriffen. Oft seien das Körperverletzungsdelikte.