Neuer Antisemitismusbeauftragter setzt auf Bildung und Vernetzung

In Brandenburg gibt es künftig einen Antisemitismusbeauftragten für das Bundesland. Der 50-jährige Linken-Politiker und Polizeibeamte Andreas Büttner wurde am Mittwoch vom Landtag in das neue Amt gewählt und soll am Donnerstag vereidigt werden. Einen Beitrag zur Bekämpfung des Antisemitismus in Brandenburg soll auch ein Runder Tisch zur Vernetzung leisten, den er ins Leben rufen wolle, sagte Büttner dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Potsdam.

epd: Was haben Sie als Erstes vor in Ihrem neuen Amt?

Andreas Büttner: Zunächst wird es wichtig sein, sich mit den unterschiedlichen Akteuren zusammenzusetzen. Dazu gehören zunächst die jüdischen Gemeinden im Land Brandenburg, die ich alle besuchen werde, einschließlich natürlich einer engen Zusammenarbeit mit den in Brandenburg organisierten Landesverbänden. Wichtig ist auch, die Vernetzung mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren herbeizuführen. Ich hatte bereits angekündigt eine Art „Runden Tisch Antisemitismus“ ins Leben rufen zu wollen, um diese Vernetzung besser zu koordinieren. Eine der wichtigsten Partnerinnen wird die Antisemitismusbeauftragte des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Brandenburg, Diana Sandler, sein, mit der mich seit vielen Jahren eine gute Freundschaft verbindet. Dieses Engagement gilt es zu stärken.

epd: Wo sehen Sie besonders dringenden Handlungsbedarf bei der Bekämpfung des Antisemitismus in Brandenburg?

Büttner: Die antisemitischen Straftaten haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Gerade seit dem 7. Oktober erleben wir in ganz unterschiedlichen Bereichen ein erneutes Erstarken des Antisemitismus. Es wird also wichtig sein, sowohl Bildungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten, insbesondere auch im schulischen und außerschulischen Bereich. Ein wichtiger Partner dabei wird das Bildungsministerium sein. Bildungsminister Steffen Freiberg hat in der Vergangenheit bereits viel Initiative gezeigt bei dem Thema, und ich bin sicher, dass diese Arbeit fortgesetzt werden kann. Ebenso wichtig ist die starke Vernetzung mit dem Kulturministerium, bei dem die politische Zuständigkeit für das Thema liegt. Auch hier erwarte ich mit Ministerin Manja Schüle eine starke und gute Zusammenarbeit.

epd: Wo gibt es positive Beispiele, an die angeknüpft werden könnte?

Büttner: Positive Beispiele sind zum Beispiel die Bildungs- und Aktionswochen der Amadeu-Antonio-Stiftung in Kooperation mit dem Anne-Frank-Zentrum, die vielfältigen Veranstaltungen des Moses-Mendelssohn-Zentrums und der Flick-Stiftung, aber auch die gerade begonnenen jüdischen Filmfestspiele. Das alles trägt dazu bei, Antisemitismus und jüdisches Leben in Brandenburg sichtbar zu machen.

epd: Wie wollen Sie mit Antisemitismus von Zuwanderern, speziell aus dem arabischen Raum oder mit islamischem Hintergrund, umgehen?

Büttner: Wir sehen, dass Antisemitismus in der Zuwanderungsgesellschaft ein großes Problem ist, dürfen dabei aber auch nicht außer Acht lassen, dass Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Bereichen ein Problem ist. Insbesondere in der islamistischen Szene ist Antisemitismus ein verbindendes Element, wie es auch der Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg beschreibt. Deswegen wird es nur mit Gesprächen und Aufklärung funktionieren. Ich werde auf die Islamverbände in Brandenburg zugehen und Gesprächsangebote machen. Wir brauchen Aufklärung und den Abbau von Ablehnung. Das wird nur mit intensiven Gesprächen und Diskussionsangeboten gehen. In den letzten Jahren habe ich in Israel die Erfahrung gemacht, dass gemeinsame Aktivitäten von Muslimen und Juden zu einem besseren Verständnis führen. Das gilt es deutlich zu stärken.

epd: Sie haben vor einigen Wochen mit einer ganzen Reihe anderer Kreispolitiker der Uckermark einen Brief an den Bundeskanzler zum Krieg in der Ukraine unterzeichnet, der auch von Rechtsextremen unterschrieben wurde. Wirft das nicht einen gewissen Schatten auf ihr neues Amt?

Büttner: Die Veröffentlichung dieses Briefes hat viel Diskussion in der Öffentlichkeit hervorgerufen. In dem Brief wird gefordert, auf weitere Waffenlieferungen in die Ukraine zu verzichten und der Diplomatie für Frieden Vorrang zu geben. Dieser Brief wurde nicht nur von den Mitgliedern von mehreren demokratischen Fraktionen des Kreistages unterschrieben, sondern auch von Mitgliedern der AfD-Fraktion, unter anderem von dem rechtsextremistischen Bundestagsabgeordneten Hannes Gnauck. Ich wurde im Nachgang dazu aufgefordert, wegen dieser Unterschrift von AfD-Mitgliedern, meine Unterschrift zurückzuziehen. Da war der Brief jedoch schon veröffentlicht. Ich halte nichts davon, wenn ich bei Gegenwind erkläre, dass ich meine Unterschrift zurückziehe. Ich sehe das als Symbolpolitik an. Nichtsdestotrotz war meine Unterschrift unter diesem Brief retrospektiv ein Fehler.

epd: Warum sehen Sie das jetzt so?

Büttner: Der offene Brief des Kreistages Uckermark fordert eine Rückkehr zu einer strikt pazifistischen Haltung und eine verstärkte diplomatische Lösung des Konflikts. Diese Forderungen spiegeln eine verständliche Sorge wider, greifen jedoch zu kurz, wenn sie keine alternativen Handlungsmöglichkeiten in Betracht ziehen. In einem dynamischen und komplexen internationalen Kontext ist es notwendig, flexibel und pragmatisch zu handeln, um den Frieden und die Stabilität zu bewahren. Ein weiterer wesentlicher Grund für meine Distanzierung vom offenen Brief ist die Beteiligung von Mitgliedern der AfD. Diese Partei hat sich in der Vergangenheit durch populistische und nationalistische Positionen ausgezeichnet, die oft im Widerspruch zu den Grundwerten einer offenen und demokratischen Gesellschaft stehen. Ihre Beteiligung könnte als Versuch interpretiert werden, berechtigte Sorgen für parteipolitische Zwecke zu instrumentalisieren. Dies untergräbt die Glaubwürdigkeit und die moralische Integrität des Appells. Die gegenwärtige Situation in der Ukraine erfordert eine differenzierte und ausgewogene Herangehensweise. Während diplomatische Anstrengungen stets im Vordergrund stehen sollten, müssen alle möglichen Handlungsoptionen sorgfältig abgewogen werden, um den Frieden und die internationale Ordnung zu bewahren. Meine Distanzierung vom offenen Brief des Kreistages Uckermark basiert auf einer gründlichen Analyse der historischen und gegenwärtigen politischen Realitäten sowie der Notwendigkeit, eine verantwortungsvolle und nuancierte Position in dieser schwierigen Frage einzunehmen. Dafür war der Brief nicht geeignet, zumal er die aggressive Machtpolitik Putins deutlich zu wenig in den Fokus genommen hat.

epd: Welche Schritte sehen Sie als besonders wichtig an, um jüdisches Leben in Brandenburg zu stärken?

Büttner: Jüdisches Leben in Brandenburg muss sichtbar sein. Wir brauchen viel mehr Bewusstsein, dass wir ein aufblühendes jüdisches Leben haben. Dazu gehören gut ausgestattete und funktionsfähige Versammlungshäuser und Synagogen, die Pflege von – auch ehemaligen – jüdischen Friedhöfen, die Unterstützung der Gemeinden in ihrer karitativen Arbeit und die Förderung des jüdischen kulturellen Lebens.

epd: Auf welche Kooperationspartner setzen Sie?

Büttner: Wie bereits erwähnt, sind die ersten Ansprechpartner die jüdischen Gemeinden selber und eine enge Zusammenarbeit mit den jüdischen Gemeinden. Wichtige Partner werden sicherlich auch das Tolerante Brandenburg und die Opferperspektive sein. Es gäbe noch viel mehr Organisationen aufzuzählen. Ich werde mir in den ersten Wochen und Monaten meines Amtes eine Übersicht darüber verschaffen, welche Organisationen wir in Brandenburg überregional als auch regional haben, und sehr intensiv das Gespräch suchen.