Missbrauchsbetroffener kritisiert Höhe von Kirchen-Zahlungen

Die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen der katholischen Kirche legt ihre Bilanz vor. Ein Mitglied des Betroffenenbeirates bei der Bischofskonferenz spart nicht mit Kritik.

Das Mitglied des Missbrauchs-Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz, Jens Windel, kritisiert die Höhe der gezahlten Anerkennungsleistungen der katholischen Kirche. „Ich denke, da ist noch Luft nach oben, von daher ist das für mich nicht positiv“, sagte er im Interview dem Kölner Portal domradio.de am Samstag. Er reagierte damit auf den am Freitag vorgestellten Jahresbericht der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA). Demnach wurden bisher knapp 57 Millionen Euro und 2023 in rund 10 Prozent aller Fälle eine sogenannte Anerkennungsleistung von mehr als 50.000 Euro gezahlt.

Durchschnittlich habe jeder Betroffene nur knapp 16.000 Euro erhalten, bemängelte Windel, der im Bistum Hildesheim die Betroffeneninitiative gegründet hatte. „Wir sind bei den Leistungen noch nicht annähernd dort, wo sich beide Seiten treffen müssten, damit Betroffene nicht den Eindruck gewinnen: Wir werden bagatellisiert“, sagte er zudem dem Portal „Kirche und Leben“ (Freitag).

Windel zog den Vergleich zu einem Fall am Landgericht Köln, bei dem im vergangenen Jahr das Erzbistum Köln zu einer Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 300.000 Euro verurteilt wurde. „Es geht um Signalwirkung. Wenn ein Bistum 300.000 Euro zahlen muss, ist das offenbar derzeit die Höchststrafe“, sagte er. Wenn Betroffene sehr viel geringere Leistungen erhielten, dann gewännen diese den Eindruck, in ihrem Fall käme der Täter „günstig davon: Verurteilt ja, aber maximal zu so etwas wie einer Art ‚Bewährungsstrafe'“.

Kritik übte Windel zudem am derzeitigen Verfahren der UKA. „Es ist eine absolute Black Box. Man weiß nicht, wer es bearbeitet hat und wie diese Summen zustande gekommen ist. Welches Gewicht hatten einzelne Punkte, wie etwa die Schwere der Tat oder das institutionelle Versagen?“, sagte er domradio.de.

Er zweifle auch die Unabhängigkeit der Kommission an. „Ich vergleiche das immer so: Wenn ich meinen besten Freund beauftrage, ein Gutachten über mein Fahrzeug zu erstellen, dann kann ich davon ausgehen, dass es für mich positiv wird“, erklärte Windel. Ähnlich sei es bei der UKA, die beim Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) angesiedelt ist und die Vorgaben von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) bekomme. Die UKA könne nicht wirklich frei entscheiden. „Ich würde mir wünschen, dass wir das System genauer anschauen und zusammen mit der UKA und der DBK Verbesserungen erzielen“, sagte er.

Die UKA hat darüber zu entscheiden, wie viel Geld Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche in Anerkennung des ihnen zugefügten Leids erhalten. Dazu nimmt sie Anträge der Betroffenen über die Ansprechpersonen der Bistümer oder Ordensgemeinschaften entgegen, legt eine Leistungshöhe fest und weist die Auszahlung an.

Grundlage hierfür ist ein von den Bischöfen beschlossenes Verfahren. Bei der Leistungshöhe orientiert sich die Kommission an Urteilen staatlicher Gerichte zu Schmerzensgeldern, und zwar an deren oberem Rand. Eine Höchstgrenze gibt es nicht. Vorgesehen ist nur, dass bei Beträgen oberhalb von 50.000 Euro die jeweiligen kirchlichen Institutionen zustimmen.