Lüneburger Ausstellung zeigt ostpreußische Bräuche im Wandel

Was passiert mit ihren Bräuchen, wenn Menschen fliehen oder vertrieben werden? Dieser Frage geht eine Kabinettausstellung in Lüneburg nach und zeigt Bräuche aus Ostpreußen.

Der Holzschnitt von Eduard Bischoff aus dem Jahr 1963 zeigt die „Krähenbeißer“ auf der Kurischen Nehrung
Der Holzschnitt von Eduard Bischoff aus dem Jahr 1963 zeigt die „Krähenbeißer“ auf der Kurischen NehrungOstpreußisches Landesmuseum

Zwischen Weihnachten und Epiphanias am 6. Januar darf nicht gewaschen werden, damit die zum Trocknen aufgehängte Wäsche keine bösen Geister anzieht – ein Brauch, der in vielen Regionen verbreitet war. So auch in Ostpreußen, wo es in der Zeit der „Zwölf Heiligen Nächte“ noch weitere Besonderheiten gab, wie etwa den Schimmelreiterumzug: Menschen zogen mit ihren Tieren von Haus zu Haus, sammelten Gaben für kranke Menschen und neckten die Bewohner.

An solche Rituale erinnert die Ausstellung „Stinthengste, Krähenbeißer, Lange Wurst und Co.“, die im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg zu sehen ist. Sie zeigt, dass christliche Feste für viele Menschen in Ostpreußen von großer Bedeutung waren.

Originale wie ein Taufkleid, einen Patenbrief und Tauftaler

Die Ausstellung zeigt zum Beispiel zahlreiche Erinnerungen an die Taufe, die in Ostpreußen als großes Fest gefeiert wurde. Zu sehen gibt es Originale wie ein Taufkleid, einen Patenbrief, Tauftaler oder auch Kinderbesteck mit eingraviertem Taufdatum sowie eine Täuflingshaube – Originale, die Menschen auf der Flucht aus Ostpreußen am Ende des Zweiten Weltkrieges unbedingt mitnehmen wollten.

Ostermontag war das sogenannte Schmackostern im Bekannten- und Familienkreis verbreitet: Junge Leute gingen frühmorgens mit Ruten von Haus zu Haus, peitschten alle, die noch in den Betten lagen, und bekamen für das Aufsagen von Versen Leckereien geschenkt.

Ein langer Fisch aus Holz ist der Star der Ausstellung

Was wurde aus Schmackostern, Schimmelreiterumzug und anderen Bräuchen nach dem Neubeginn im Westen? „Solange viele Familien aus Ostpreußen nach dem Krieg in Flüchtlingsunterkünften in unmittelbarer Nähe lebten, wurden Bräuche noch praktiziert“, sagt die Ausstellungskuratorin Hannah Janowitz. „Das wurde mit der Zeit und dem Umzug in eine andere Nachbarschaft aber immer weniger.“

Größter Blickfang der kleinen Ausstellung ist ein langer Fisch aus Holz, der so präsentiert wird, als ob er in der Luft schwebte. Dabei handelt es sich um einen Stinthengst – ein Fabelwesen aus masurischen Gewässern um Nikolaiken/Mikołajki, der dort seit 1922 bis heute das Wappen der inzwischen polnischen Stadt ziert. Der König der Stinte soll durch seine Anwesenheit im Wasser zu Fischreichtum und großem Fang beitragen. Der in Lüneburg präsentierte hölzerne Stint­hengst mit Krone auf dem Kopf schwimmt auf Initiative von ostpreußischen Flüchtlingen seit 1962 im Stadtpark von Remscheid und wurde dem Museum in Lüneburg für die Ausstellung als Leihgabe zur Verfügung gestellt.

Das Fest der langen Wurst

Ein anderer Brauch war lange verschwunden und ist in den vergangenen Jahren wiederentdeckt worden. Die Rede ist vom Fest der langen Wurst: Seit dem 16. Jahrhundert haben Fleischer in Königsberg in unregelmäßigen Abständen am Neujahrstag eine mehrere Hundert Meter lange Wurst in einem Umzug durch die Stadt getragen. 2007 wurde dieser Brauch im heute zu Russland gehörenden Kaliningrad zu neuem Leben erweckt. „Das ist heute ein Volksfest. Es gibt gerade bei jungen Menschen ein Interesse an der Geschichte ihrer Stadt“, sagt Hannah Janowitz.

Ostpreußen ist schon lange Geschichte – der Verdienst dieser und weiterer Ausstellungen im Lüneburger Museum ist es, dass sie eine gedankliche Brücke zur Gegenwart im heutigen Nordost-Polen und zur russischen Enklave Kaliningrad schlagen.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 25. Februar im Ostpreußischen Landesmuseum Lüneburg. Infos: www.ostpreussisches-landesmuseum.de